0261 - Im Schatten des Würgers
Lichter. Es wurde dunkel in der Good-Luck-Bar.
Ich wartete. Nach etwa fünf Minuten vernahm ich das Quietschen der Eingangstür zur Bar.
Dann trat eine Gestalt auf die Straße.
***
Das Verhör in der Bar hatte uns zwar nicht weitergebracht, aber immerhin wußte ich über die einzelnen Personen einigermaßen Bescheid. Außer der Bardame, die ich im Bett überrascht hatte und den beiden Rausschmeißern Bibbo und Colon wohnten alle anderen Angestellten in der City. Sie mußten also jetzt die Bar verlassen, und darauf baute ich meinen Plan. Denn eine Person wollte ich noch erheblich präziser aushorchen, als es in der Bar möglich gewesen war. Ich war überzeugt, daß diese Person noch einiges mehr wußte, als sie bei dem Verhör zugegeben hatte. Ihr ganzes Verhalten hatte darauf hingedeutet.
Als jetzt die Gestalt auf die Straße trat, löste ich.mich aus dem Schatten des Hauseinganges und überquerte die Fahrbahn. Die Gestalt schien mich zu bemerken, verhielt einen Augenblick und setzte dann ihren Weg mit erhöhter Geschwindigkeit in Richtung Innenstadt fort. Ich war dicht hinter ihr und holte sie mit wenigen Schritten ein.
»Es wird jetzt sehr schwer für Sie sein, ein Taxi zu bekommen«, sagte ich und war bemüht, viel sonoren Schmelz in meine Stimme zu legen. »Wenn es Ihnen aber recht ist, bringe ich Sie gern nach Hause, Miß Porter.«
»Oh, Mr. Cotton«, sagte die Bardame in dem grünen Kleid. »Haben Sie mich erschreckt. Ich glaubte schon, es sei einer dieser schrecklichen Verehrer.« Sie blieb stehen, und ich konnte trotz der Dunkelheit erkennen, daß sie ihre Hände dorthin legte, wo unter dem hellen Regenmantel wahrscheinlich ihr Herz schlug. Florence Porter reichte mir knapp bis zur Schulter, obwohl die Absätze ihrer Pumps die Höhe einer Eisbombe hatten. Die Frau hatte ein Tuch um die Pracht ihrer Locken geschlungen. Über der rechten Schulter ' trug sie eine Tasche an langem Riemen.
»Ich wollte Sie nicht erschrecken. Es tut mir sehr leid«, sagte ich freundlich. »Kann ich es irgendwie wiedergutmachen? Vielleicht darf ich Sie noch zu einem kleinen Drink einladen. In einer Bar, die weniger makabre Überraschungen bereithält als diese hier?«
Florence Porter lachte leise.
»Ich nehme Ihr Angebot gern an.« — Sie hakte sich bei mir ein, als wir zu meinem Jaguar gingen. Als ich ihr beim Einsteigen behilflich war, bemerkte ich, daß sie ihr Abendkleid mit einem anderen Kleidungsstück vertauscht haben mußte. Das grüne Abendkleid war knöchellang gewesen, während Florence jetzt nur bis zu den Knien verhüllt war. Im Wagen bat sie um eine Zigarette. Ich gab ihr auch Feuer. Florence schirmte meine Hand, die das Feuerzeug hielt, mit ihren zarten Pfötchen ab, obwohl ich hier im Wagen keinerlei Zugluft bemerken konnte, die die Flamme gefährdet hätte. Ich hatte das sehr deutliche Gefühl, eine Eroberung gemacht zu haben. Das paßte zu meinem Plan wie der Blumenstrauß zum Hochzeitstag.
Allerdings nahm ich mir vor, meine Freundschaftsbeweise auf einen Drink und auf den heutigen Bummel zu beschränken. Ich hatte dann hoffentlich genug erfahren. Als ich jetzt mein Augenmerk auf die Straße konzentrierte, ließ ich mir nicht träumen, daß ich in dieser Nacht noch reichlich Gelegenheit haben sollte, mich als Kavalier zu beweisen, als Kavalier der harten Faust sozusagen.
»Sie haben ja einen tollen Wagen«, sagte Florence Porter nach den ersten Zügen aus der Zigarette. Die Bardame hatte eine Stimme wie Samt und Seide, dunkel, lockend, sich ihrer Wirkung sehr bewußt.
»Mein Hobby«, sagte ich. »Das einzige übrigens, das sich ein armer FBI-Agent leisten kann. Aber es macht Spaß, einen schnellen Wagen zu fahren. Es gab schon viele Gelegenheiten, bei denen mir die Geschwindigkeit meines Wagens sehr von Nutzen war.«
— Ich erzählte meiner charmanten Begleiterin von verschiedenen Fällen aus der Praxis, und sie lauschte interessiert.
Wir waren mittlerweile auf der Third Avenue angelangt, und ich parkte den Jaguar in der Nähe der Neunziger Blocks.
Die Regentropfen fielen jetzt nur noch vereinzelt. Die Wolkenwand, die über dem Häusermeer gelastet hatte, war aufgerissen. Hier und da blinkten einige Sterne. Es wurde etwas kühler. Eine leichte Brise kam vom Atlantik und strich angenehm über die Gesichter der Nachtbummler, die Manhattan zu dieser Zeit noch reichlich bevölkerten.
Florence Porter hakte sich wieder bei mir ein. Wir hatten uns für die Taberna entschlossen, ein gutrenommiertes
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