0261 - Vom Teufel besessen
wußte sie nicht. Und ihr war auch nicht klar, aus welchem Grund sie sich ein Blatt Papier herbeiholte, um darauf zu schreiben. Das Unterbewußtsein steuerte ihre Handlungen. Mit der linken Hand schob sie das Blatt so zurecht, daß sie schreiben konnte. Ihre Hand, die den Kugelschreiber hielt, bewegte sich dabei zuckend und auch ein wenig zögernd. Der Blick war zwar auf das Papier gerichtet, schien es aber kaum wahrzunehmen, weil Miriam di Carlo stierte.
Plötzlich fuhr ein Schütteln durch ihren rechten Arm. Er zuckte erst vor, danach zurück, gleichzeitig senkte sie die Hand so weit, daß die Spitze des Kugelschreibers das weiße Papier berühren konnte.
Miriam di Carlo begann zu malen.
Als sie die ersten Strich, nicht einmal bewußt von ihrem Geist gelenkt, auf das Papier brachte, wirkte es so, als wollte ein junger Schüler ein Bild zeichnen.
Alles war ein wenig ungelenk und zittrig, aber die Umrisse deuteten bereits ein Gesicht an.
Ein Geist aus dem Unsichtbaren führte und leitete ihre Hand, die den Schreiber hielt, wobei sich aus den Strichen und Verbindungslinien tatsächlich ein Gesicht herausschälte.
Ein dreieckiges Gesicht.
In den Umrissen war es inzwischen entstanden. Allerdings zeigte es noch eine flache Vorderseite, das heißt, Miriam hatte weder Augen, Mund noch Nase gemalt, aber der Führer aus dem Unsichtbaren ließ sie nicht aus seinen Klauen.
Er gab seine Befehle weiter, und die junge Frau zeichnete die einzelnen Sinnesorgane in das Gesicht.
Eine scharf vorspringende Nase. Häßliche, böse wirkende Augen und einen grausam und zynisch verzogenen Mund, dessen Winkel fast das spitze Kinn an beiden Seiten berührten.
Noch war die Stirn glatt. Auf sie zeichnete Miriam zwei gekrümmte Hörner.
Das Bild war fertig.
Es zeigte den Teufel!
Miriam di Carlo ließ sich zurücksinken. Mit dem Rücken berührte sie die Stuhllehne, und sie runzelte gleichzeitig die Stirn, wobei ihr Gesicht einen angestrengten Ausdruck annahm, als wollte sie irgend etwas in ihrem Innern verdrängen.
Aber das andere war stärker. Jenes Unsichtbare gab der jungen Frau weitere Befehle, die sie auch ausführte, denn sie beugte sich vor, und der Kugelschreiber glitt abermals über das Papier.
Nur zeichnete sie diesmal nicht, sondern schrieb.
Ungelenk waren die Buchstaben. Die Schrift glich der eines Schulkindes, aber ein Teil des Namens war bereits zu lesen. Miriam hatte den Vornamen geschrieben.
Isabella!
Tief atmete sie ein, als hätte sie eine schwere Arbeit hinter sich. Sie starrte auf den von ihr geschriebenen Namen, ohne zu begreifen, was eigentlich geschehen war. Zwar las sie ihn, doch konnte sie nichts damit anfangen, bis ihr Geistführer einen neuen Befehl übermittelte.
Wieder beugte sie sich vor, und abermals berührte die Kugelschreiberspitze das Papier.
Es folgte der Hausname. Ebenso ungelenk geschrieben wie der vorherige.
Norton!
Isabella Norton, also!
Nachdem sie den ihr fremden Namen aufgeschrieben hatte, fiel ihre rechte Hand zur Seite, und auch der Kugelschreiber löste sich aus ihren Fingern.
Das Zucken im Arm verschwand. Sie hörte auch nicht mehr die geistigen Befehle, da war keiner mehr, der sich ihrer Persönlichkeit bemächtigt hatte. Auch der seltsame Druck in ihrem Schädel war verschwunden, und Miriam di Carlo atmete zunächst einmal tief durch.
Was hatte sie getan?
Verwundert und überrascht schaute sie auf das Papier. Dort hatte sie, ohne daß sie es wollte, einen ihr fremden Namen hingeschrieben und zudem noch ein dreieckiges Gesicht gemalt, das Ähnlichkeit mit einer Teufelsfratze aufwies.
Der Teufel und ein Name. Standen die beiden vielleicht miteinander in Verbindung? Miriam di Carlo strich durch ihr langes Haar. Die Lippen zuckten, sie hob die Schultern, strengte ihr Gehirn an, dachte scharf nach, aber sie fand einfach keine Lösung.
Die junge Frau konnte mit dem Namen Isabella Norton nichts anfangen.
Er war ihr absolut fremd.
Noch einmal atmete sie tief durch, bevor sie den Stuhl zurückschob. Sie ging im Zimmer auf und ab, flüsterte den fremden Namen vor sich hin, bis er ihr geläufig über die Zunge huschte und dennoch irgendwie fremd blieb.
Trotzdem glaubte sie fest, daß es zwischen ihr und Isabella Norton eine Verbindung geben mußte.
Aber welche?
Bekannte kamen ihr in den Sinn.
Der Reihe nach ließ sie die Namen und Gesichter vor ihrem geistigen Auge Revue passieren, doch eine Isabella Norton kannte sie nicht.
Feste Freundschaften war sie nie eingegangen,
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