0262 - Leonardos Knochenhorde
Zamorra und seinen Freunden herzustellen.
Noch war er nicht aufgefallen. Und Leonardo faßte mehr und mehr Zutrauen zu »seinem« Wolf. Er ließ ihm mehr Freiheiten, je länger er ihn bei sich hatte. Und Fenrir wartete geduldig auf seine Chance. Er wartete darauf, Château Montagne nach Belieben betreten und verlassen zu können, um dann draußen außerhalb der direkten Machtsphäre Leonardos telepathischen Kontakt zu den Freunden aufzunehmen. Er mußte ihnen die Lage im Schloß schildern, mußte ihnen berichten, daß Raffael und die totgeglaubten Zwillinge noch lebten.
Noch.
Fenrir wartete mit der Geduld eines jagenden Raubtiers. Und etwas anderes war er auch nicht. Er jagte Leonardo.
Nur daß Leonardo nichts davon ahnte, daß sein Jäger unmittelbar neben ihm weilte.
Und er ließ Fenrir mehr und mehr Freiheiten. Merlins und Fenrirs Plan ging allmählich auf…
***
»Es ist Weihnachten«, sagte Stephan Möbius lächelnd und sah aus dem Fenster seines Arbeitszimmers. Aus dem ersten Stock des Herrenhauses in der Grafschaft Dorset in England besaß er einen weiten Blick über das Umland. Beaminster Cottage war ein Zufluchtsort geworden, eine letzte Bastion der Kämpfer gegen die Schwarze Magie. Professor Zamorra und seine Gefährtin Nicole Duval hatten hier ihr Domizil gefunden, und auch Stephan Möbius benutzte das Cottage zwangsläufig als Fluchtburg. Er durfte die sorgsam geschützte Zone des Hauses nicht verlassen, sonst holte ihn der Teufel.
Unseligerweise hatte er ahnungslos einen Pakt mit Asmodis geschlossen. Jetzt fieberte die Hölle nach der Seele des alten Haudegens, der sich ein gewaltiges Wirtschaftsimperium erarbeitet hatte und nach wie vor kontrollierte. Doch Stephan Möbius dachte nun gar nicht daran, seine Hälfte des Paktes zu besiegeln und sich in die Hand des Teufels zu begeben. Er setzte darauf, daß Zamorra einen Weg fand, den Pakt aufzuheben, doch solange dieser Höllenvertrag noch bestand, konnte Möbius es nicht wagen, Beaminster Cottage zu verlassen. Nur hier war er sicher.
Es fraß in ihm.
Sicher, er konnte die Geschicke seines Mammutkonzerns auch von hier aus lenken und tat es in alter Frische. Aber er brauchte auch einmal Abwechslung. Und die gab es vorläufig für ihn nicht. Er war sein eigener Gefangener.
Professor Zamorra und Nicole hatten es da besser. Sie konnten sich frei in aller Welt bewegen. Und niemand aus dem Kreis der Dämonen wußte, wohin sie sich immer wieder zurückzogen. Seit Zamorra sein Amulett nicht mehr besaß, vermochten die Dämonen seinen Aufenthaltsort nicht mehr anzupeilen. Asmodis vielleicht ahnte etwas. Aber gerade er schlug noch nicht zu. Wahrscheinlich wußte er, daß er nur eine weitere Niederlage kassieren würde.
»Weihnachten?« echote Nicole und strich sich durch das derzeit dunkle, schulterlange Haar. »Ich glaube, Herr Möbius, Ihr Terminkalender ist ein wenig durcheinander geraten. Nicht einmal Schnee liegt… Wie kommen Sie auf Weihnachten?«
Möbius lächelte fein.
»Von wegen der Überraschungen, Mademoiselle«, sagte er. »Es gibt deren viele.«
»Ich liebe Überraschungen«, behauptete Nicole.
»Ich nicht«, versetzte Zamorra entschieden. »Meist handelt es sich nur um unbezahlte Rechnungen.«
»Unbeglichene, könnte man es in diesem Fall nennen«, sagte Stephan. »Zamorra, du hast doch noch eine große Rechnung mit Leonardo offen. Was würdest du dazu sagen, wenn es eine Möglichkeit gäbe, sie jetzt zu begleichen?«
Zamorra grinste. »Ich würde dem Vogel die Federn einzeln ausrupfen«, sagte er trocken. »Aber von dem großen Gegenschlag träume ich seit Wochen, und es kommt nichts dabei heraus. So unangreifbar das Château früher für die Dämonen war, so unangreifbar ist es jetzt für uns. Oder glaubst du, ich säße noch hier herum, wenn es anders wäre?«
Möbius nippte an seinem Kaffee Made in Germany - britischer Kaffee ist schon immer ungenießbar gewesen - und lehnte sich im Sessel weit zurück. Sein Blick streifte den wuchtigen Schreibtisch zu den beiden Freunden und Kampfgefährten zurück. »Ihr wart ein paar Tage in Irland. Habt einen Druidenstein gesucht und eine Hexe erledigt. Sonst habt ihr nichts erreicht.«
»Doch«, widersprach Nicole. »Zamorra hat den Jaguar zu Schrott gefahren.«
»Wir werden sehen, ob die Karosserie sich nicht noch richten läßt«, knurrte der Professor. »Einen so teuren Wagen wirft man nicht einfach auf den Sperrmüll.«
»Wir«, fuhr Möbius fort, ohne den Einwurf zu beachten,
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