0265 - Das Zeitauge
Wenden wir uns dem anderen Problem zu: Die Tamratsumhänge bestehen offenbar nicht aus Plastik, wie es den Anschein hatte, sondern sind organische Lebewesen."
Er legte seinen Umhang behutsam ab und forderte Messier auf, es ihm gleichzutun.
„Es wird besser sein", kommentierte er diese Maßnahme, „wir holen aus unseren Gefangenen erst einmal alles heraus, was sie über ihre 'lebenden Mäntel' wissen. Ich möchte nicht im Schlaf aufgefressen werden!"
Die vier Tamräte befanden sich noch immer unter dem posthypnotischen Zwang des Psi-Roboters ebenso die übrige - Besatzung des kleinen Militärstützpunktes. Dennoch scheiterten alle Versuche der drei Menschen, ihnen das Geheimnis der lebenden Mäntel zu entlocken.
Der Oberst rief schließlich Log zur Hilfe herbei.
Wieder einmal erschien der Robot aus dem Nichts heraus. Es gab jedoch kein Geräusch, wie es für die Rematerialisation eines Teleporters typisch war. Folglich mußte er die ganze Zeit über anwesend gewesen sein und hatte sich nur wieder einmal mit Hilfe der Suggestion „unsichtbar" gemacht.
Log „behandelte" den ältesten der Tamräte auf seine unmerkliche Art und Weise. Danach wandte er sich an Shelton.
„Ich gestehe, daß ich selbst überrascht bin, Terraner. Die vier Tamräte hatten das Geheimnis der Umhänge hinter einem starken Hypnoschirm verborgen."
Pierre Messier riß die Augen weit auf.
„Sie hatten es verborgen? Oder war das Geheimnis nicht vielmehr von Außenstehenden geschützt worden?"
„Ich sage stets, was ich meine." Log hob eines seiner Ärmchen. „Sie haben sich die Schirme bewußt gegenseitig eingegeben, damit ihr Geheimnis gewahrt bliebe."
„Das ist interessant!" stellte Shelton sachlich fest. „Damit stehen die Tamräte außerhalb ihrer eigenen Gesellschaft. Das erleichtert uns die Aufgabe, sie zu imitieren. Wer Geheimnisse hat, pflegt wenig Umgang mit anderen und ist entsprechend wenig Leuten persönlich bekannt. Was sind nun diese 'Mäntel'?"
„Das ist unbedeutend", erklärte der Psi-Roboter. „Ein Erkundungsschiff brachte sie vor zweihundert Jahren vom Planeten Darak mit. Niemand weiß, ob die 'Mäntel' zur Flora oder Fauna Daraks gehören.
Aber die Tamräte brauchten ein Symbol ihrer Macht, und so wurde das Tragen der 'lebenden Umhänge' zu ihrem Privileg. Ich hoffe allerdings, ihr werdet euren Plan ändern. Die lebenden Umhänge sind nämlich nur ein winziger Teil des ganzen Geheimnisses."
„Und...?" drängte der Oberleutnant.
„Diese vier Lemurer sind Wissenschaftler. Sie beschäftigen sich mit der Beobachtung der verschiedenen Zeitebenen - und entwickelten ein Gerät, das sie 'Zeitauge' nannten."
„Ich denke", meinte der Oberst trocken, „dieses Zeitauge ist genau das Richtige für uns."
*
Sein Name war Markam. Er war der älteste der vier Tamräte und zugleich der Vorsitzende einer wissenschaftlichen Organisation, die sich „Luna-Klub" nannte.
Was er unter dem hypnotischen Zwang des Psi-Roboters aussagte warf ein bezeichnendes Licht auf den geistigen Entwicklungsstand der Lemurer.
Der Luna-Klub war eine Offiziell genehmigte Organisation von Wissenschaftlern beiderlei Geschlechts. Er beschäftigte sich nach außen hin mit einer äußerst trivialen Aufgabe nämlich der, den Erdmond in eine bewohnbare Oase umzugestalten ein Erholungszentrum für Künstler und Wissenschaftler. Sichtbares Ergebnis dieser Tätigkeit war die Gartenstadt M'adun, welche die gesamte Fläche des Mare Imbrium bedeckte und unter einer durchsichtigen Kuppel aus glasklarem Spunplastik lag. Von diesem fast 1200 Kilometer durchmessenden Paradies mit seinen phantastischen Hängenden Gärten und gläsernen Turmbauten hatte man einen reizvollen Ausblick auf die Karpathen, Apenninen, den Kaukasus, die Alpen und den Jura. Der Pico mit seinen drei charakteristischen Bergspitzen, von denen die höchste 2700 Meter maß, war das Wahrzeichen von M'adun.
Hinter dieser täuschenden Kulisse aber arbeiteten rund zweitausend hervorragende Wissenschaftler an dem Problem, ein Gerät zu schaffen, mit dem sich sowohl die Ereignisse der Vergangenheit wie auch die der Zukunft beobachten ließen. Motiv dafür waren die unüberschaubar gewordenen Probleme der Menschheit die größer und größer wurden, je mehr das lemurische Sternenimperium sich ausdehnte. Sie übten auf eine bestimmte Menschengruppe den geradezu hypnotischen Zwang aus, durch eine konkrete Vorhersage der Zukunft Einfluß auf die weitere Entwicklung zu nehmen und
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