0266 - Der Flammengürtel
er von der Augusta die Pflichten einer Frau erwartete. Poppäa graute bei dem Gedanken, dem Kaiser im Zustand des Irrsinns allein gegenüber zu treten.
Sie mußte verhindern, daß Nero den Becher zum Munde führte.
»Cäsar!« rief sie und ihre Stimme, die eben noch wie brechender Stahl geklungen hatte, wurde weich wie das Blatt einer Rose. »Willst du nicht unseren Gästen, nachdem du ihnen ein Beispiel der Kraft der Muskeln gegeben hast, nun die Macht des Gesanges zeigen? Deines Gesanges , Göttlicher!« fügte die Kaiserin vielsagend hinzu und ihre Stimme klang wie das Träufeln von süßem Honig.
Überall wurden Rufe laut, die den Gesang des Kaisers forderten.
»Laß deine göttliche Stimme ertönen!«
»Bade unsere Seele in der Wohltat deines Gesanges!« – »Denn du bist größer als Homer …« – »… als Apollo …« – »… Jupiter selbst kann sich mit dir nicht messen…!«
Nero lauschte geschmeichelt. Doch er wollte ganz besonders gebeten werden …
»Liebe Freunde!« rief er pathetisch und ließ vor Aufregung sogar Reginas Körper los. »Gerne würde ich euch meine neueste Dichtung hören lassen, doch die Anstrengung der letzten Tage … der Rauch aus den Ruinen Roms … ich bin nicht bei Stimme…!«
Ein Proteststurm der Festgäste. Mit Wohlgefallen sog der Kaiser die Betteleien um seinen Gesang ein. Doch jeder im Saal wußte, daß der bei Nero in Ungnade fiel, der sich hier nicht anschloß. Als Künstler war Nero unglaublich eitel.
»Cäsar, nur wenige Verse…!« hallte es ringsum. »Oh, daß wir nur wenige Töne deiner göttlichen Stimme hören …« – »… der Stimme, der Rom lauscht …« – »… die ganze Welt …« – »diese Stadt und der Erdkreis sind deiner Kunst nicht würdig, o Cäsar!«
Da war die Stunde des Petronius gekommen. Mit schnellen Schritten eilte er auf den Kaiser zu.
»Höre auf die Stimmen deiner Freunde und die meine, Göttlicher!« rief er und breitete die Arme aus. »Gönne uns den Genuß, denn wir alle wissen deine übergroße Kunst zu schätzen. Oh, Strahlender, deine Musik ist für alle wie der Tau, der am Morgen die Blumen netzt und ihre Kelche zur Entfaltung bringt. Singe für uns und sei nicht grausam!«
»… sei nicht grausam, Cäsar!« echoten die Festgäste. Nero aber hörte nur die leise Stimme des Petronius.
»Wenn du noch länger zögerst, Göttlicher, werden die Gäste trunken und vermögen nicht mehr, den wahren Wert deiner Kunst gebührend zu erkennen!«
Das genügte. Nero klatschte in die Hände. Eilfertig brachten zwei Sklaven eine kostbar gearbeitete Lyra, während ein Chor von Männern und Frauen in griechischen Gewändern im Halbkreis hinter dem Kaiser Aufstellung nahm. Die mit kostbaren Ringen übersäten Finger des Kaisers glitten über die Saiten des Instrumentes und entlockten ihm einen wehmütigen Akkord.
Der Kaiser sang mit angenehmer, volltönender Stimme. Professor Zamorra stellte fest, daß die Geschichte dem Künstler in Nero großes Unrecht getan hatte. Überhaupt hatte der Cäsar etwas Großartiges. Wenn auch das Wohlleben seine Spuren am Körper des Kaisers hinterlassen hatte, so mußte Professor Zamorra doch eingestehen, daß der Cäsar mit den langen, kunstvoll gelegten Locken unter dem goldschimmernden Lorbeerkranz und dem angedeuteten, rötlich schimmernden Bart des Philosophen und Künstlers etwas Besonderes ausstrahlte.
War eine Strophe des Gesanges beendet, schlug der Kaiser die Lyra und der Chor im Hintergrund wiederholte die letzte Zeile.
Donnernder Applaus brandete auf, als der kaiserliche Sänger zum letzten Mal die Finger über die Saiten gleiten ließ und dann mit leicht gesenktem Haupt vor den Zuhörern stand.
Hochrufe erschollen zu Ehren des Cäsaren. Die Kaiserin eilte herbei, um Neros Hand zu küssen.
Doch Regina Stubbe kam ihr zuvor. Jubelnd sprang sie auf, umarmte den Kaiser vor allen Gästen und küßte ihn. Poppäa zuckte wie von einer Peitsche getroffen zusammen.
Rache!
Regina Stubbe hatte von dem Gesang zwar nicht viel verstanden, die ganze Show aber recht gut gefunden. Etwas anderes zwar als die Disco-Gruppen ihrer eigenen Zeit; aber als Liedermacher hätte Nero dort sicherlich auch Geld verdient.
Aber Regina Stubbe war auch praktisch veranlagt. Nach dieser langen Singerei mußte der Kaiser doch Durst haben. Sie ergriff den gefüllten Weinpokal und hielt ihn dem Kaiser hin.
Schon wollte Poppäa aufschreien, da vernahm sie die Stimme des Kaisers.
»Du mußt mir
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