0266 - Der Grachten-Teufel
von zwei kräftigen Händen an der Hüfte umfaßt fühlte und hochgehievt wurde. Suko blieb noch in der Haltung, wartete einen günstigen Moment ab und »schleuderte« das Mädchen dann auf die Kaimauer. Sanft ging er nicht mit ihr um. Dazu war auch jetzt keine Zeit.
Carla landete sicher. Wir waren eine Sorge los.
»Jetzt Sie, Dieter!«
Hoven wollte keine Hilfe. »Das schaffe ich schon«, sagte er, schielte an der Mauer hoch, nahm Maß, federte in den Knien und stieß sich dann ab. Es hätte geklappt, doch genau in diesem Augenblick wurde unser Boot abgetrieben. Ausgerechnet von der Mauer weg, so daß Dieter Hoven zwar noch abkam, die Krone aber verfehlte.
Seine flachen Hände klatschten gegen die Mauer, die nicht nur glatt, sondern auch feucht war. Hoven konnte keinen Halt mehr finden, rutschte ab und klatschte ins Wasser.
Ausgerechnet jetzt, wo ein paar Meter weiter das Untier lauerte. Von nun an überstürzten sich die Ereignisse, denn auch Carla van der Laan hatte gesehen, was passiert war. Sie hockte auf der Mauer, starrte nach unten und begann zu schreien.
Das weckte Suko.
»Rein!« schrie ich.
Er brauchte nicht in die Fluten zu springen. Dieter Hoven konnte ein wenig schwimmen. Wie eine Bleiente paddelte er auf das Boot zu und faßte dankbar Sukos Hand, um sich von dem Chinesen an Bord hieven zu lassen.
Das wurde auch Zeit.
Kraal hatte längst gemerkt, daß wir aus dem Rhythmus geraten waren und walzte weiter.
Noch immer ragte er nur wenige Meter aus dem Wasser. Die gewaltigen Füße mußten Schlamm aufwerfen, denn dort, wo er herging, stiegen dicke Wolken gegen die Oberfläche und färbten sie in einem schmutzigen Grau.
Er bewegte viel Wasser. Wellen entstanden, rollten uns entgegen. Carla rief den Namen des Deutschen, der inzwischen nichts mehr dagegen hatte, von Suko untergefaßt zu werden.
Diesmal schaffte es der Chinese. Trotz der anrollenden Wellen waren die Bedingungen günstiger. Er schleuderte Hoven hoch, der die Krone zu packen bekam und in Sicherheit kletterte.
Auf der Kante drehte sich Hoven um, starrte zu uns herab, und wir sahen, daß er seine Brille verloren hatte. Sie mußte irgendwo im Schlamm stecken.
»Haut ab!« schrie der triefnasse Mann.
»Das sagt sich so leicht«, erwiderte Suko, steckte seinen Arm aus, berührte mit der flachen Hand die Mauer und sorgte so dafür, daß sich das Boot lösen konnte.
Wir trudelten der Kanalmitte entgegen.
Kraal kam.
Er walzte herum, bewegte das Wasser, unser Boot geriet ins Schaukeln, wir mußten uns sogar festhalten, um nicht über Bord geschleudert zu werden.
Es hatte keinen Sinn, auf Kraal zu feuern. Wenn wir Erbsen gegen ihn geworfen hätten, wäre das sicherlich der gleiche Effekt gewesen, als mit geweihten Kugeln zu schießen. Da hatten wir unsere Erfahrungen, denn nicht zum erstenmal standen wir einem Unhold dieser »Güteklasse« gegenüber.
Ich brauchte da nur an den Todessee von Darkwater zu denken. [2]
Dieter Hoven hatte recht gehabt. Wir mußten dem Monstrum zunächst einmal entkommen.
Mit sicherem Griff fand meine Hand den Zündschlüssel, drehte ihn herum, und zum Glück sprang die Maschine sofort an. Ich gab einen Moment nicht acht, die flache Flunder ruckte vor, so daß wir ziemlich nahe an Kraal heran glitten und es kritisch wurde.
Im letzten Moment schaffte ich die Kurve. Der Kanal war nicht breit. In meiner Aufregung nahm ich die Kurve zu stark, und fast wäre die Flunder wie ein Flugzeug noch weggeschmiert.
Glücklicherweise konnte ich das Boot wieder unter Kontrolle kriegen, und im nächsten Augenblick hatten wir Kraal in unserem Rücken.
Ich gab Gas!
Diesmal konnte ich mich an keine Geschwindigkeitsbegrenzung halten, für uns ging es ums nackte Leben. Wenn Kraal mit seinen Pranken unser Boot erwischte, gab es nicht nur Trümmer, sondern auch Tote.
Deshalb die Eile!
Wieder jagten wir auf die Brücke zu. Die Wellen holten uns ein. Das Boot wurde in der Tat zu einem hüpfenden Gegenstand, wir wurden vorangeschoben, Wellen kamen auch über, und die feine Gischt umspritzte uns wie ein Nebel.
Suko stand zwar bei mir, er hatte sich jedoch umgedreht, um das Monstrum zu beobachten.
»Verdammt, John, es kommt!«
»Schnell?«
»Und wie!«
Ich konnte keinen Blick über die Schulter werfen, weil ich mich zu sehr auf das Steuern konzentrieren mußte, aber ich merkte am heftigen Wellenschlag, daß Kraal weiter aufgeholt hatte.
Er konnte uns gefährlich werden. Tödlich gefährlich…
Die Brücke!
Ihre
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