0266 - Der Grachten-Teufel
gelegt hatte. Die Beine streckte er aus, schaute auf seine Oberschenkel und sah sie nicht nur naß, sondern auch von einer grüngrauen Dreck- und Algenschicht überzogen. Er fingerte nach seinen Zigaretten, fand das Päckchen auch und schleuderte es sofort in einen in der Nähe stehenden Abfallkorb. Die Zigaretten waren nur noch eine weiche Masse.
Allmählich nur beruhigten die beiden sich. Sie waren so weit gelaufen, daß sie die Rufe der an der Unglücksstelle zusammengetroffenen Menschen nicht hören konnten.
Eine wunderbare Ruhe umgab sie. Nur die Vögel zwitscherten hin und wieder.
Mit einer Verlegenheit ausdrückenden Geste wischte Carla über ihre Augen und drehte dann den Kopf, um Dieter Hoven anzuschauen. »Was ist denn noch alles geschehen?« fragte sie leise. »Was ist mit dem Monstrum?«
»Es lebt, glaube ich.«
»Und die beiden Männer?«
Da schwieg Dieter Hoven.
Für Carla war es ein Zeichen. »Die beiden sind tot, nicht wahr? Sag es, Dieter. Sie haben nicht überlebt. Sie konnten nicht überleben. Kraal war zu stark.«
»Ich kann es dir nicht sagen.«
Carla seufzte auf. »Weshalb lügst du mich an?«
Dieter hob die Schulter. »Du mußt mir glauben, ich weiß es wirklich nicht. Ich konnte nichts sehen. Die ins Wasser fallenden Trümmer haben hohe Wellen und einen Gischtvorhang erzeugt, so daß mir die Sicht genommen wurde.«
Carla van der Laan schwieg zunächst. Bis sie nach einer Weile sagte:
»Ja, ich glaube dir.«
»Das mußt du auch.«
»Dann können wir damit rechnen, daß John Sinclair und Suko tot…«
»Rede nicht weiter.« Dieter beugte sich vor und vergrub den Kopf in den Handflächen. Er war fertig, erledigt. Die folgenschweren Ereignisse hatten ihn geschafft.
Carla dachte anders. Vielleicht deshalb, weil sie sich irgendwie verantwortlich fühlte. Sie gab sich die Schuld, daß Piet entwischt war.
Hätte sie nicht so auf dessen Ausgang gedrängt, wäre das alles bestimmt nicht geschehen. Oder doch?
Noch einmal dachte sie darüber nach, wie es gewesen sein mußte, als die Brücke einstürzte. Sie spielte sich die Szene vor. Ahnte, wie es war, als das Boot auf den kochenden Wellen tanzte und hinein in das Chaos der herabstürzenden und zusammenbrechenden Brückenteile raste.
Das konnte niemand überleben!
Sie schluckte. Ihre Augen wurden feucht. Gleichzeitig jedoch dachte sie daran, daß sie etwas gutmachen mußte. Vielleicht konnte sie noch etwas retten.
»Dieter!« sprach sie ihren Freund an.
Der Deutsche zuckte zusammen. Er war tief in Gedanken versunken.
Jetzt hob er den Kopf und schaute auf seine neue Freundin.
»Wir müssen gehen!«
»Wohin?«
»Denk mal nach. Erinnere dich daran, was unser eigentliches Ziel gewesen war. Wir wollten dorthin laufen, wo sich Piet immer aufgehalten hat. Zu dem Hausboot.«
»Und was willst du da?«
»Piet zurückholen.«
Der Mann begann zu lachen. »Das wird dir kaum gelingen. Kraal kann dich vernichten.«
»Sicher. Doch ich werde das Gefühl nicht los, daß er etwas mit dem Monstrum zu tun hat. Er hat es gerufen, vielleicht kann er es auch wieder vertreiben.«
Dieter hob die Augenbrauen. »Ich will dich ja nicht beeinflussen, aber meinst du nicht auch, daß du dir da ein wenig zu viel vorgenommen hast. Du wirst ihn kaum beeinflussen können. Piet hat sich für das Monster entschlossen. Und wenn ich deine Worte so höre, dann gehst du davon aus, daß er noch lebt.«
»Das stimmt.«
»Ich glaube nicht daran. Wir haben einen Arm gesehen, wir…«
»Eine Erklärung kann ich dir auch nicht geben, doch ich habe es im Gefühl. Da ist was passiert. Das Monster kann es normalerweise nicht geben. Es ist jedoch eine Tatsache, daß es existiert. Vielleicht erleben wir noch andere Überraschungen.«
»Danke, ich bin bedient.«
Carla konnte Dieter verstehen. Wahrscheinlich machte er sich ebensolche Vorwürfe wie sie. Schließlich hatte er die beiden Beamten nach Den Haag geholt, und nun waren sie verloren.
Das Mädchen stieß seinem Freund die kleine Faust in die Seite. »Jetzt reiß dich mal zusammen. Du hast mir von deinem ersten Leben in der DDR erzählt, das war doch auch kein Zuckerschlecken.«
»Nein, das nicht…«
»Weshalb zögerst du?«
Er schüttelte den Kopf. »Das ist alles so furchtbar schwierig«, flüsterte er. »Trotz allem haben wir bisher Glück gehabt. Doch wenn ich daran denke, daß uns das gleiche widerfahren kann…« Er schaute ihr in die Augen. »Carla, wir stehen erst am Anfang. Ich möchte dich nicht
Weitere Kostenlose Bücher