0269 - Killer-Bienen
stieg aus. Für einen Moment glaubte sie wieder, das Summen zu hören, und etwas sirrte auch an ihren Augen vorbei. Sie war sicher, daß die Biene ebenfalls den Wagen verlassen hatte.
Schaufel und Spaten nahm Linda mit. Beides klemmte sie sich unter den Arm, als sie auf das kleine Tor zuschritt, das um diese Zeit natürlich geschlossen war.
Bevor Linda über den Zaun kletterte, schaute sie sich um, Menschen waren nicht unterwegs, und die Fahrer der vorbeirasenden Autos interessierten sich nicht für das, was rechts und links der Fahrbahn passierte.
Zuerst schleuderte Linda ihr Werkzeug über den Zaun. Es fiel an der anderen Seite in hüfthoch gewachsenes Gebüsch. Anschließend kletterte sie selbst hinüber.
Sie war froh, eine Hose zu tragen, so fiel es ihr ziemlich leicht, das Hindernis zu überwinden. Die senkrecht wachsenden Stäbe waren an ihren Enden gekrümmt. Die Spitzen zeigten zum Friedhof hin.
Linda sprang.
Fast hätte sie noch das Spatenblatt getroffen. Es war Glück, daß sie dicht daneben landete.
Sie blieb erst einmal stehen und lauschte. Dabei schaute sie zurück. Es war niemand da, der ihre Ankunft bemerkt hatte. Unbesorgt konnte sie Spaten und Schaufel aufnehmen. Das Rauschen des Regens begleitete sie, als sie ihren Weg durch das Gebüsch fand. Nasse Blätter streiften ihr Gesicht und hinterließen auf der Haut glänzende Spuren. Hinter den Büschen erreichte sie einen Weg.
Dort blieb sie wieder stehen und sah sich um. Linda sah die kleine Trauerhalle. Sie erinnerte sich wieder. In der Trauerhalle hatte die Feier stattgefunden, bevor der Sarg über diesen Weg zum Grab getragen wurde.
In die andere Richtung mußte Linda sich wenden. Sie trug ihre Werkzeuge in der rechten und linken Hand. Die beiden Metallblätter schleiften dabei über den Boden.
Im letzten Licht des Tages schritt sie über den Friedhof. Die Dämmerung war noch nicht völlig über die Stadt hereingebrochen. Ein seltsamer Himmel präsentierte sich ihren Blicken. Über den Bäumen sah sie einen noch breiten hellen Streifen. Zu ihr hin grenzte er die dunkelgraue Dunkelheit ab. Zwei Extreme, die sich am Himmel zeigten, wobei das hellere immer weiter zurückgedrängt wurde, die Nacht verlangte ihr Recht.
Es dauerte nicht lange, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Es war ein relativ kleines Gräberfeld, begrenzt durch hohe Hecken, die so dicht wuchsen, daß man kaum hindurchschauen konnte.
Es gab schmale Wege, die an den Gräbern vorbeiführten. Es war Sams Glück gewesen, daß er in einer Familiengruft beigesetzt werden konnte, sonst hätte er auf diesem Friedhof keinen Platz gefunden.
Zwischen den alten Grabsteinen ging sie hindurch. Dann bog sie in einen schmalen Pfad ein, der vor einer Hecke endete. Dort befand sich das Grab ihres Mannes. Es war das letzte in der kleinen Reihe.
Wieder hörte Linda das Summen.
Die Biene hatte ihren Weg begleitet. Sie wußte genau, wo sie hinwollte. Linda strengte sich an und sah, wie das kleine Insekt auf das Grab zuflog. Wo es Platz nahm, konnte sie nicht mehr sehen.
Vor dem Grab blieb sie stehen, schaute darüber hinweg und sah den dunklen Stein, der ziemlich breit war und an seinem oberen Ende zu einem Halbbogen zusammenlief.
Hier waren die Eltern von Sam Whiteside mit ihrem Sohn zusammen begraben.
Linda schüttelte sich, als sie an ihre Aufgabe dachte. Sie kam sich vor wie ein Dieb, denn sie störte die heilige Ruhe der Toten. Dabei hoffte sie, daß sie nicht auch noch auf die Särge der Eltern ihres Mannes traf.
Linda schluckte, als sie den Spaten nahm und ihn in die feuchte Erde stach.
Noch immer rann der Regen vom Himmel. Er war mehr zu einem Sprühregen geworden, nässte die Kleidung, die bereits an Lindas Körper klebte. Die Erde war schwer und naß. Es fiel Linda nicht leicht, den Spaten anzuheben. Sie zerstörte auch die eingepflanzten Blumen und schleuderte die nasse Erde nach links. Auf dem Grab ihrer Schwiegereltern bildete sich bald ein Hügel.
Für eine Frau wie Linda war diese Arbeit ungewohnt. Schon bald fühlte sie die Mattheit. Ihre Arme schienen mit Blei gefüllt zu sein, der Atem ging keuchend und manchmal, wenn sie sich zu schnell drehte, wurde ihr schwindlig. Dann begann der Boden zu tanzen, und Linda mußte eine Pause einlegen.
Schweratmend stand sie da und schaute auf den Boden, wo sich allmählich kleine Pfützen ausbreiteten. Die Regentropfen sorgten darin für kreisende Wellen.
Viel hatte sie noch nicht geschafft. Linda fragte sich, ob sie es überhaupt je
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