0269 - Killer-Bienen
fertig bringen würde, das Grab so weit auszuschaufeln, bis sie die nötige Tiefe erreichte.
Dann vernahm sie wieder das Summen.
Zuerst zuckte sie zurück, bis sie einsah, daß es keinen Zweck hatte, als die Biene sich auf ihre Stirn setzte. Einen Augenblick später hörte sie bereits die Stimme.
»Weitermachen, du darfst nicht zögern, du mußte es tun!«
»Ich kann nicht«, flüsterte Linda.
»Gib nicht auf. Ich warne dich!«
Sie nickte. »Ja, ja!« keuchte sie, bückte sich und griff abermals zum Spaten. Von der ungewohnten Arbeit spürte sie bereits ihre Hände nicht mehr, die Finger wollte sie ausstrecken, es gelang ihr kaum, denn sie blieben gekrümmt.
Linda machte weiter. Gebeugt stand sie bereits auf dem Grab. Ihre Füße sanken ein in den nassen Lehm. Hin und wieder fuhr ein Windstoß über den Friedhof. Er brachte noch mehr Regen mit, und Linda spürte, wie das Wasser ihren Rücken hinablief. Es vermischte sich mit ihrem Schweiß.
Der nasse Lehm kam ihr schwer wie Eisen vor. Ihre Bewegungen wirkten kraftlos. Sie liefen in einem Zeitlupentempo ab. Linda hatte einfach nicht die Kraft, die schwere Erde zur Seite zu werfen.
Längst war es dunkel geworden. Eine Finsternis, die von keinem Lichtstrahl erhellt wurde, denn hier in der Nähe brannte keine Laterne.
Nur ein Stück weiter, wo der Weg begann, leuchtete in halber Baumhöhe ein rundes Licht, dessen Schein nicht einmal mehr den Boden erreichte.
Bald stand sie in der Grube. Längst war Wasser in ihre Schuhe gedrungen. Naß und kalt waren ihre Füße, das Haar lag auf ihrem Kopf wie eine glänzende Schicht.
Am liebsten hätte sie alles hingeworfen und wäre liegengeblieben, doch da gab es den inneren Motor der Angst, der sie immer wieder vorantrieb. Wenn sie die Aufgabe nicht erfüllte, würde etwas Schreckliches geschehen, dies spürte sie. Also grub sie weiter.
Sie wechselte zwischen Spaten und Schaufel, wuchtete den Lehm in die Höhe und versuchte, ihn auf den neben dem Grab wachsenden Hügel zu schleudern.
Nicht immer gelang ihr dies. Manchmal rutschte die nasse Erde zurück und fiel ihr wieder entgegen.
Wann endlich war es soweit? Himmel, so tief lag ihr Mann doch nicht in der Erde!
Sie hatte den Gedanken kaum ausgedacht, als sie einen ersten Erfolg erzielte.
Linda spürte Widerstand.
Das Ende der Schaufel hatte den Sargdeckel getroffen. Die Frau stieß noch einmal nach und hörte jetzt ein dumpfes Geräusch.
Plötzlich durchzuckte ein Kraftstrom ihren Körper. Der erste Erfolg beflügelte sie, und Linda Whiteside grub verbissen weiter. Sie ging ein wenig zurück. Unter ihren Füßen spürte sie noch den Lehm, doch vor sich sah sie bereits den naß glänzenden Sargdeckel, von dem sie eine matschige Erdschicht schob.
Endlich konnte sie an die Totenkiste. Für einen Moment mußte sie verschnaufen. Linda lehnte sich zurück. Sie berührte mit den Schultern den Grabrand, atmete schwer und merkte das Zittern, das sich über ihren gesamten Körper ausgebreitet hatte.
Sie rechnete damit, daß sie abermals von der Biene angeflogen werden würde, doch das geschah nicht.
Statt dessen erlebte sie eine andere Überraschung. Mit der hatte sie nicht im Traum gerechnet.
Plötzlich traf sie der Strahl einer Lampe. Von der Seite her drang er auf sie zu, zielte auf ihr Gesicht und blendete sie.
Gleichzeitig hörte sie eine Stimme! »Was machen Sie denn hier, zum Henker?«
Linda Whiteside erstarrte. Ihr Blut schien zu Eis zu werden. Sie wagte nicht einmal, den Kopf zu drehen. Steif blieb sie stehen, das Gesicht zu einer Maske erstarrt, über das die Wassertropfen in langen Bahnen rannen.
Alles umsonst! Sie haben dich entdeckt! Jetzt ist es aus!
»He, Madam, ich will eine Antwort.« Der Lampenstrahl bewegte sich hektisch. »Wie kommen Sie dazu, hier mitten in der Nacht ein Grab auszuheben? Und wahrscheinlich wollen Sie auch den Sarg öffnen, wie?«
Linda atmete ein paar mal tief durch. Sie fühlte sich nicht in der Lage zu reden, mußte sich erst ein wenig beruhigen. Langsam drehte sie den Kopf. Sie hob dabei die lehmverschmierten Hände und wandte sich dem Unbekannten zu. »Gehen Sie, Mister. Gehen Sie schnell! Sonst kommen Sie hier nicht mehr lebend weg.«
Der Mann lachte nur. »Was bildest du dir ein, Süße! Steig nur aus dem Loch raus, dann reden wir weiter!«
»Nein, ich…«
»Komm raus, Mensch!«
Die Stimme hatte so geklungen, als würde sie keinen Widerspruch dulden. Linda blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen. Schwerfällig
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