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027 - Das Gesicht im Dunkel

027 - Das Gesicht im Dunkel

Titel: 027 - Das Gesicht im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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einschüchtern zu lassen, liebe Schwester.«
    Dora machte die Tür rasch wieder zu.
    »Wenn du es durchaus wissen willst - wir sind keine Schwestern«, sagte sie mit leiser, tückischer Stimme. »Du bist nicht einmal Engländerin! Dein Vater war Mutters zweiter Mann - ein Amerikaner! Und er sitzt lebenslänglich verurteilt in Kapstadt!«
    Audrey tastete nach einer Stuhllehne.
    »Das ist nicht wahr«, erwiderte sie.
    »Es ist wahr - es ist wahr!« zischte Dora. »Mutter erzählte es mir, und Herr Stanford kennt die ganze Geschichte. Dein Vater kaufte gestohlene Diamanten und schoß auf den Mann, der ihn verriet. Er brachte Schande über Mutter - sie nahm einen andern Namen an und kehrte nach England zurück. Du hast nicht einmal ein Recht auf den Namen Bedford! Sie haßte den Mann so, daß sie -«
    Audrey nickte. »Mutter verließ ihn natürlich«, murmelte sie wie im Selbstgespräch vor sich hin. »Sie blieb nicht in seiner Nähe, um ihm den Trost und das Mitgefühl zu gönnen, die eine Frau dem verkommensten Menschen gönnen würde. Sie verließ ihn einfach. Wie ihr das ähnlich sieht!«
    Aus ihren Worten sprach keine Spur von Bosheit oder Erbitterung. Audrey hatte die Gabe, die Dinge im wahren Licht zu sehen. Sie hob die Augen ganz langsam, bis sie denen Doras begegneten.
    »Ich hätte nicht ins Gefängnis gehen sollen«, sagte sie. »Du bist es nicht wert. Und Mutter ebensowenig!«
    »Du unterstehst dich, so von Mutter zu sprechen?« schrie Dora wütend.
    »Ja. Sie war auch meine Mutter. Sie steht über meiner Kritik und deiner Verteidigung. - Wie heiße ich denn?«
    »Finde es nur selbst heraus!« höhnte Dora.
    »Ja. Ich werde Herrn Shannon fragen«, sagte das junge Mädchen.
    Das war ihr einziges boshaftes Wort. Aber es war der Mühe wert, zu sehen, wie die beiden Gesichter sich veränderten.

9
    Dick Shannon bewohnte ein Stockwerk am Haymarket, das sein Assistent ›Den neuesten Scotland Yard‹ zu nennen pflegte, weil die ›großen Fünf‹ dort oft Beratungen hielten. Am Tag nach Audreys Entlassung aus dem Gefängnis waren dort nur Inspektor Lane, Steel und Dick selbst versammelt.
    »Sie haben sie verfehlt?« fragte der Inspektor.
    Dick nickte seufzend. »Aber da sie vorzeitig entlassen wurde, muß sie sich melden, und das wird man mir sofort berichten. Wie steht es denn mit Malpas?«
    »Er ist ein Rätsel«, erwiderte Lane, »und sein Haus erst recht. Er bewohnt es seit mehreren Jahren, und noch kein Mensch hat ihn gesehen. Seine Rechnungen bezahlt er prompt, und er hat gleich nach seinem Einzug eine gehörige Summe für allerlei Anlagen im Haus ausgegeben: elektrische Leitungen, Alarmanlagen und verschiedene andere Mätzchen. Eine große Turiner Firma hat da lange gearbeitet.«
    »Und Dienstboten hat er nicht?«
    »Nein, und das ist das sonderbarste. Nahrungsmittel kommen nicht ins Haus, woraus hervorgeht, daß er entweder verhungern oder ausgehen müßte. Ich habe es von vorn und hinten beobachten lassen, aber ihn hat keiner von meinen Leuten zu sehen bekommen, obwohl sie verschiedene seltsame Dinge bemerkten.«
    »Bringen Sie das Mädchen herein, Steel«, sagte Shannon, und gleich darauf schob sein Assistent eine stark gepuderte junge Dame ins Zimmer.
    »Fräulein Neilsen, Berufstänzerin ohne Anstellung?« fragte Dick.
    »Das stimmt.«
    »Erzählen Sie uns von Ihrem Besuch in Nummer 551 Portman Square.«
    »Wenn ich gewußt hätte, daß ich mit einem Detektiv sprach, wär' ich nicht so geschwätzig gewesen«, versetzte sie. »Der alte Mann verlangte von mir, ich sollte nebenan bei Herrn Marshalt Spektakel machen - schreien, daß Herr Marshalt ein Schuft wäre, ein Fenster einschlagen und mich verhaften lassen.«
    »Einen Grund dafür gab er nicht an?«
    »Nein. Die Sache paßte mir nicht, und ich war heilfroh, als ich wieder draußen war. Hu, was für ein scheußlicher alter Kerl! Und das Zimmer ganz dunkel. Ein richtiges Gespensterhaus! Türen, die von selbst aufgehen - Stimmen, die von nirgendwoher kommen - ich dankte meinem Schöpfer, als ich wieder auf der Straße stand.«
    »Woher kannten Sie den Mann denn?« fragte Dick mißtrauisch.
    »Oh, er hatte meinen Namen in den Inseraten gelesen -Stellengesuche, wissen Sie.«
    Da weitere Fragen ergebnislos blieben, wurde das Mädchen entlassen, und nun berichtete Lane.
    »Der Steuerbeamte beschwerte sich, daß er Herrn Malpas nicht zu sehen bekäme. Man glaubte, daß er zuwenig Einkommensteuer zahlte, und als er vorgeladen wurde, kam er nicht selbst,

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