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027 - Das Gesicht im Dunkel

027 - Das Gesicht im Dunkel

Titel: 027 - Das Gesicht im Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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zurück. Mit fast übermenschlicher Anstrengung befreite sie sich, ergriff ein auf dem Tisch liegendes spitzes Tranchiermesser und schrie: »Wenn Sie mich anrühren, bring' ich Sie um! Öffnen Sie sofort die Tür!«
    Er zog seinen Schlüsselbund hervor und schloß auf. »Wollen Sie mir nicht verzeihen?« flüsterte er. Ohne zu antworten rauschte sie an ihm vorüber und ließ das Messer fallen.
    »Nach rechts,« rief er leise, und sie bog wirklich in den schmalen Gang ein, obwohl ein Instinkt ihr sagte, daß sie geradeaus gehen müsse. Bevor sie sich der Gefahr bewußt wurde, kam er hinterher. Sofort floh sie den Flur entlang und mehrere Treppen hinauf, bis hinter ihr alles still wurde. Nun sah sie, daß es nicht weiterging. Über ihr befand sich nur ein unerreichbares Oberlichtfenster. Leise und behutsam begann sie wieder auf dem Treppenläufer nach unten zu schleichen, und dabei vernahm sie plötzlich eine schluchzende Frauenstimme, wußte aber nicht, ob die Laute von oben, von unten - oder gar von nebenan, aus Herrn Malpas' Haus, kamen. Sie horchte angestrengt, bis das Schluchzen leiser wurde und verstummte. Von Marshalt war nichts zu sehen, und sie erreichte schließlich den kleinen Vorraum, hinter welchem die Freiheit winkte.
    Und dann, als sie vorsichtig weiterging, griffen zwei Arme zu, und sie wurde wieder ins Eßzimmer zurückgeschleppt.
    »So, mein Schatz!« rief Marshalt, indem er sie in einen tiefen Lehnsessel schob. »Nun wirst du wohl Vernunft annehmen. Ich kann dir geben, was dein Herz begehrt. Für mich bist du die einzige Frau, die meiner Liebe wert ist -«
    »Verschwenden Sie keine weiteren Worte, Herr Marshalt«, versetzte sie, ohne die Augen von ihm abzuwenden. »Ich werde ins Hotel zurückkehren, und ich werde Captain Shannon anrufen und ihm mitteilen, was sich hier zutrug.«
    Er lachte laut auf. »Du drohst mit der Polizei? Wie altmodisch! Übrigens ist Shannon ein Weltmann. Er weiß, daß ich mir keine Dame aus Holloway einladen würde, wenn ... Na, brauch deinen Verstand, mein Kind! Und er weiß, daß du die Einladung nicht angenommen hättest, wenn du meine Liebeserklärung nicht erwartet hättest.«
    »Ihre Art von Mädchen ist vielleicht so, ich bin ein wenig anders«, sagte sie.
    »Bei Gott, ja, das bist du, und deshalb liebe ich dich!« rief er aus, indem er sie emporriß und sie mit beiden Armen umschloß. Sie war hilflos, fühlte ihre Kräfte schwinden - da hörte sie ein leises Geräusch an der Tür. Er hatte es auch vernommen, und indem er sie so jäh losließ, daß sie in die Knie sank, fuhr er herum, gerade als die Tür sich langsam auftat. Eine schwarzgekleidete Frau stand auf der Schwelle. Finster starrte sie auf das am Boden kniende Mädchen.
    Es war Dora Elton. Audrey sah den Haß in den Augen ihrer Schwester und schauderte.
    »Ich störe wohl«, sagte Dora und begegnete Lacys wutfunkelndem Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
    Audrey erhob sich mühsam, griff nach ihrem Mantel, ging mit zitternden Knien an ihrer Schwester vorüber und in die kalte, reine Nachtluft hinaus.
    Marshalt schenkte sich mit unsicherer Hand ein Glas Wein ein und goß es hinunter. »Wenn du glaubst, daß ich in das Lamm verliebt bin, irrst du dich gewaltig«, sagte er. »Komm her, ich will dir etwas gestehen, und das mußt du mir glauben. Es gibt einen Mann, den ich mehr hasse als jeden andern auf der ganzen Welt, und dieser Mann ist Audrey Bedfords Vater.«
    »Sie heißt gar nicht Bedford«, sagte Dora.
    »Du hast recht. Sie heißt Torrington, und du nicht. Dan Torrington und ich sind alte Feinde. Ich habe eine Rechnung zu kassieren und bin durchaus noch nicht damit fertig.«
    »Ihr Vater ist ein Sträfling«, murmelte Dora finster.
    »Ja, lebenslänglich. In Kapstadt. Wenn ich eine bessere Büchse gehabt hätte, wäre er ein toter Mann gewesen. Er hatte Glück: Ich traf sein Bein und schoß ihn lahm. Wenn die Detektive ihn nicht in demselben Augenblick gefaßt hätten, wär's wohl mit mir aus gewesen!«
    »Du hast ihn verhaften lassen?« rief sie aus.
    »Ja, ich leitete den Geheimdienst für die ›Streams Diamond Corporation‹ und entdeckte, daß Dan Torrington einen kleinen unerlaubten Diamantenhandel betrieb. Ich stellte ihm eine Falle, und das ist die ganze Geschichte. Nur wurde er noch strenger bestraft, weil er auf mich geschossen hatte.«
    Doras Zorn war verflogen. »Ist das wirklich alles wahr, Lacy?« fragte sie. »Wie kannst du dich denn aber an Torrington dadurch rächen, daß du eine

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