027 - Das Henkersschwert
durch die Würmer ein gesichtsähnliches Aussehen bekam. In der Mitte befand sich ein vogelartiger Schnabel, in den Dorian den Fingerknochen schob.
Einige Würmer bewegten sich auf seine Hand zu. Er drückte die Statue, die zum Leben erwacht war, gegen den Türstock und vergrub den Knochenfinger tiefer im schnabelartigen Mund. Zwei Würmer erreichten seine Hand und zuckten vor dem Knoblauchgestank zurück.
Die Figur bäumte sich auf. Dorian überwand seinen Ekel und drückte den Knochen noch tiefer in den Schnabel.
Das merkwürdige Wesen strampelte kurz mit den Beinen, dann bewegte es sich nicht mehr. Auch die Würmer erstarrten.
Dorian atmete tief durch und ließ das seltsame Geschöpf zu Boden fallen.
Ein süßlicher Geruch hing in der Luft; Dorians Magen regte sich. Mühsam unterdrückte er den Brechreiz.
Bis jetzt hatte alles gestimmt, was ihm Coco erzählt hatte. Die Tür führte in den Keller, in dem aller Wahrscheinlichkeit nach der Untote lag.
Bis zu diesem Augenblick war Dorians Auftauchen unbemerkt geblieben. Jeder andere wäre unweigerlich in die Fallen gegangen. Die Familie Zamis fühlte sich sicher. Sie hatte nicht damit gerechnet, daß Coco die Fallen verraten würde.
Dorian betrat den Stiegenabgang. Er nahm die Taschenlampe aus dem Mund und sah sich flüchtig um, dann stieg er die Treppe hinunter. Sie führte schnurgerade in die Tiefe. Die Wände waren dunkelrot gestrichen, mit einer Farbe, die das Licht reflektierte.
Die Wände des Kellers waren dagegen mit schwarzem Samt ausgeschlagen. Er erkannte die Teufelsstatue, von der ihm Coco erzählt hatte.
Der Schein der Taschenlampe huschte voran und blieb auf einem Sarg hängen. Darin mußte sich Bruno befinden.
Er ging weiter. Als er das leise Knistern hörte, blieb er stehen und hielt die Taschenlampe in die Richtung, aus der das Lachen gekommen war. Seine Hand zitterte leicht, als er Bruno Guozzi erkannte, der ihn angrinste. Hinter dem Untoten standen einige Gestalten, die in weiße Leinentücher gehüllt waren.
»Wir haben Sie erwartet, Dorian Hunter«, hörte er die Stimme von Cocos Vater. »Herzlich willkommen!« Dorian taumelte entsetzt einige Schritte zurück. Der Untote kam auf ihn zu.
»Nimm ihn dir, Bruno!« hörte er die Stimme sagen. »Er ist dein. Saug ihm das Leben aus!«
Dorian konnte nicht weiter zurück. Er stand gegen eine Wand gedrückt und atmete erregt.
Ein leises Trommeln war zu hören, das immer lauter wurde. Guozzis Totenschädel kam näher. Die Augen des Ungeheuers waren weit aufgerissen.
Dorian hob die Pistole und zielte auf die Stirn des Untoten. Die Silberkugel bohrte sich in den Schädel und verschwand – wurde einfach geschluckt.
Der Untote ging weiter.
Der faulige Atem des Monsters strich über sein Gesicht, als die langen Arme nach ihm griffen.
Sie tauchte aus dunklen Tiefen empor, und die wirren Gedanken um sie herum drangen immer bohrender in ihr Hirn. Coco zögerte instinktiv, die Schwelle zum Wachsein zu überschreiten. Doch die Eindrücke in ihrem Gehirn wurden überwältigend.
Sie schlug die Augen auf. Das Zimmer war dunkel. Über der Tür brannte die rote Nachtlampe. Vor das hohe Fenster war ein Vorhang gezogen. Ihr Mund war trocken. Die Zunge lag wie ein geschwollener Fremdkörper darin.
Coco setzte sich auf und trank ein Glas Wasser. Es war das eingetreten, was ihr Vater prophezeit hatte. Sie verlor immer mehr ihre Fähigkeiten. Sie dachte an Dorian, und ihre Angst wuchs.
Er befand sich in großer Gefahr, sie spürte es. Ihre Hände wurden feucht. Die Verbindung zu Dorian war noch nicht ganz abgerissen. Der Bann wirkte noch immer ein wenig.
Das Mädchen glitt aus dem Bett und kniete nieder. Mit den Fingern schrieb sie einige magische Zeichen auf den Boden. Dorian befand sich in Lebensgefahr. Sie konnte sein Entsetzen fast körperlich spüren. Ihre Hände vollführten kreisende Bewegungen. Tränen rannen über ihre Wangen.
Nach wenigen Sekunden erkannte sie ihre Machtlosigkeit. Sie hatte ihre Fähigkeiten fast völlig eingebüßt. Es gelang ihr nicht, mit Dorian Kontakt aufzunehmen. Trotzdem wollte sie noch einen Versuch machen.
Rasch sprang sie auf und nahm die Seife vom Waschbecken. Mit den spitzen Fingernägeln formte sie das Stück Seife. Nach einigen Sekunden hatte es eine menschenähnliche Figur angenommen, die sie zwischen beide Hände nahm, während sie beschwörend vor sich hinsprach. Schließlich stimmte sie einen leisen Singsang an.
Nach einer Weile warf sie wütend das
Weitere Kostenlose Bücher