Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
027 - Ruf des Blutes

027 - Ruf des Blutes

Titel: 027 - Ruf des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Timothy Stahl
Vom Netzwerk:
anders.
    Etwas wie fiebrige Erwartung stand in ihren Mienen, als Kharnov die Hohlnadeln ansetzte und in Rhians Adern stak. Und als das Blut durch die Schläuche rann und sich in gläsernen Gefäßen sammelte, begann das Paar schwer zu atmen wie vor Lust.
    Rhians Herz pochte heftiger, und das Blut floh schneller aus ihr. Sie fühlte wie ihre Kraft schwand, mit jedem Tropfen Blut. Ihre Glieder wurden schwer, dann schienen selbst ihre Augenlider wie aus Blei.
    Sie würde wieder schlafen, lange, lange schlafen… Nach einer Weile brachten die beiden Kapuzenträger das Mädchen zurück in seine Zelle. Rhian bekam es kaum mit. Nur dass eine der beiden Gestalten bei ihr blieb, sich zu ihr setzte und ihre Hand nahm, registrierte sie noch bewusst und mit Staunen - weil es neu war.
    Die Gestalt streifte die Kapuze zurück.
    Der Anblick ihres Gesichts - des Gesichts eines Mädchens, das nur wenig älter sein konnte als Rhian selbst - war das Letzte, was sie sah. Rhian nahm es mit hinüber in den Schlaf und die Träume. Und fühlte sich zum ersten Mal seit sehr langer Zeit nicht ganz so einsam und verlassen.
    ***
    Sie erreichten Phillia am Ende eines Tages, an dem die Sonne sich zeitweise zwischen den Regenwolken gezeigt hatte, und auch jetzt goss sie, wie zum Abschied, noch einen Schwall rotgoldenen Lichtes herab und machte den Anblick der Stadt noch unwirklicher, als er es ohnedies schon war.
    Matt Drax vergaß für einen zeitlosen Moment sogar zu atmen.
    Philadelphia erhob sich vor ihnen wie eine archaische Burg, von Titanen für Titanen erbaut. Hochhäuser, weit entfernt noch, waren ihre Türme, die bis in die Wolken hinauf reichten, als müssten sie den schiefergrauen Himmel stützen. Niedrigere Bauten dazwischen wirkten wie trutzige Mauern aus schwarzem Stein. Ringsum flachten die anderen Gebäude ab wie Hänge eines Berges, auf dem diese Feste aus strategischen Gründen errichtet worden war. Und die untergehende Sonne setzte all dies in waberndes Feuer und verband die Teile des Ganzen mit Regenbogenbrücken.
    Dann schloss sich der Spalt im Wolkenvorhang, das unwirkliche Bühnenlicht erlosch und Matt sah die Stadt als das, was sie wirklich war: Eine Ruine, wie so viele andere Städte, die einst prächtig und voller Leben gewesen waren. Ein Ort, an dem sich die Finsternis eingenistet hatte - und mit ihr etwas Feindseliges, nicht Greifbares, etwas wie ein giftiger Hauch, der jede Hoffnung erstickte.
    »Du erkennst die Stadt nicht wieder«, stellte Jonpol Sombriffe fest.
    Matt nickte und schüttelte den Kopf fast in derselben Bewegung. Seine Gedanken standen ihm offenbar ins Gesicht geschrieben wie Worte in einem Buch.
    »Ich war nie in dieser Stadt«, sagte er. »Aber…«, er machte eine unbestimmte Geste, »… ich weiß, wie sie aussah. - Ist die Stadt bewohnt?«
    »Kommt drauf an, was du unter ›bewohnt‹ verstehst«, gab Jonpol zurück, wartete aber keine Erwiderung ab, sondern fuhr fort: »Natürlich lassen sich an einem Ort wie diesem Menschen nieder, für eine Weile jedenfalls. Immerhin gibt es hier genug Dächer, die vor diesem verdammten Regen schützen. Aber Phillia ist nicht vergleichbar mit anderen Städten, wie es sie weiter südlich gibt.«
    Der Truveer hatte Matt erzählt, dass es im Kältestreifen relativ wenige Städte und Ansiedlungen gab. Wovon sollten die Menschen hier auch leben? Es wuchs kaum etwas, und auf Grund der dünnen Besiedlung gedieh auch kein Handel. Im vergleichsweise wärmeren Süden sah das anders aus.
    Sie saßen auf ihren Reittieren, die Seite an Seite standen, und ließen ihre Blicke über die kantige Landschaft wandern, die die Bauten vor ihnen formten und in deren Täler sich jetzt die Nacht senkte. »Wir sollten die Gunst der Stunde nutzen und in die Stadt schleichen, um uns dort ein Versteck zu suchen«, sagte Jonpol.
    Matt nickte. Ja, es war wohl eine gute Idee, im Schutz der Dunkelheit in die Stadt vorzudringen. Er legte keinen Wert darauf, einer Horde Nosfera am helllichten Tage über den Weg zu laufen - wenn denn überhaupt etwas dran war an dem, was der Barde über diese mysteriöse Zusammenkunft der Blutsauger erzählt hatte.
    Im selben Moment fragte sich Matt, was er hier eigentlich zu suchen hatte. Warum er sich überhaupt auf dieses Wagnis einließ. Hatte er nicht vor kurzem noch - indirekt zumindest - beschlossen gehabt, sich aus Dingen, die ihn nicht unmittelbar angingen, herauszuhalten?
    Warum also wollte er sich jetzt wie ein Dieb in diese Stadt stehlen, um, unter

Weitere Kostenlose Bücher