0272 - Der Dämonenjäger
und existiert hatte, als es die normalen Menschen noch nicht gab. Also vor der großen Entwicklung, in einem Zeitabschnitt, der noch tiefer im Dunkel der Geschichte versunken war als der Komplex Atlantis.
Wild sah er aus. Er präsentierte sich uns mit nacktem, sehnigen Oberkörper, zerfledderten Hosen und einem Gürtel, in den er auch sein Schwert stecken konnte.
Schuhe brauchte er nicht, denn die Füße waren mit so starker Hornhaut bedeckt, daß sie die Schuhe ersetzten. Sein Haar war pechschwarz und lang, und wohl niemand wünschte sich diesen Kämpfer als Feind. Trotz seiner Wildheit verspürte ich keine Angst. Auch den anderen schien es so zu gehen, vor allen Dingen auch dem kleinen Jungen, denn er flüsterte mir zu: »Das ist der Dämonenjäger Bandor. Ich habe über ihn gelesen. Er will das Böse vernichten.«
Ich mußte lächeln. Da schienen wir den gleichen Job zu haben. Bandor war so etwas wie ein Vorgänger von mir, und ich hob grüßend die Hand, in dem ich die Fläche nach außen drehte, ein Zeichen meiner Friedfertigkeit, wobei ich zudem hoffte, daß sie auch von Bandor verstanden wurde.
Er rührte sich nicht. Nur an der Bewegung seiner Augen stellte ich fest, daß er meine Geste überhaupt wahrgenommen hatte. Ansonsten verhielt er sich still.
Elke Kugler verlor zwar nicht die Nerven, doch ihre Angst drückte sich in den nächsten Worten aus. »Er wird uns töten!« keuchte sie. »Schauen Sie ihn sich an. Er…«
»Halten Sie den Mund!« zischte ich. Die Frau mußte ich scharf anfahren, denn ich wollte nicht, daß Bandor durch ihre emotionalen und überängstlichen Reaktionen falsche Schlüsse zog.
Elke wollte etwas erwidern, verstummte jedoch, als sie in mein Gesicht sah. Sehr deutlich hatte sie die unausgesprochene Warnung darin erkannt.
Ich wollte mit Bandor reden. Wenn er meine Worte nicht verstand, dann vielleicht die Gesten, die meine friedliche Absicht dokumentieren sollten.
Über die Situation als Ganzes dachte ich nicht nach. Es wäre auch verrückt gewesen, nach einer Erklärung zu suchen. Wir alle mußten diese Zeit und Umgebung so hinnehmen, wie sie war. Daran gab es nichts zu rütteln.
Einen Schritt vor Bandor blieb ich stehen. Nicht freiwillig, denn der Wilde senkte seinen Arm, damit auch das Schwert, und die Spitze zeigte auf meine Brust.
Ich traute mich nicht, eine Bewegung zu machen. Wie eingefroren stand ich da. Mein Atem ging flach, selbst das Zucken der Augendeckel vermied ich.
Die anderen hinter mir taten es mir nach. Es rührte sich keiner. Dennoch wußte ich, daß Suko trotz seiner menschlichen Last, die er auf seiner Schulter trug, auf dem Sprung stand. Auch sein Eingreifen würde zu spät kommen, denn Bandor war immer schneller, wenn die Schwertklinge vorzuckte.
Sekunden vergingen.
Sie kamen mir vor wie kleine Ewigkeiten, während über meinen Rücken der kalte Schweiß in kleinen Bächen rann.
Wie würde sich Bandor entscheiden? Hatte meine Geste etwas genutzt?
Wußte er von unseren friedlichen Absichten? Er war ein Dämonenjäger, und ich ebenfalls.
Ich schaute in seine Augen.
Sie waren ebenso dunkel wie das Haar. Nichts las ich aus seinem Blick.
Der Wilde hatte sich hervorragend in der Gewalt. Sein breitflächiges Gesicht schien aus Marmor zu bestehen, nur an den Lippen erkannte ich ein winziges Zucken.
Im nächsten Augenblick glaubte ich, am Ende meines Weges angelangt zu sein. Ohne mich irgendwie vorzuwarnen, bewegte er seinen rechten Arm und damit auch das Schwert. Plötzlich spürte ich die Spitze auf meiner nackten Brust, merkte den leichten ziehenden Schmerz, als das Schwert die Wunde hinterließ, schielte nach unten und sah eine dünne, rote Spur in Richtung Bauch laufen.
War das der Anfang?
Scharf flüsterte Suko meinen Namen. »Sei ruhig«, quetschte ich hervor.
Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, als sich das Gesicht des Wilden verzerrte. Die Augen wuchsen dabei, er senkte seinen Blick und stierte auf eine bestimmte Stelle an meiner Brust.
Ich wußte, was ihn so interessierte.
Das Kreuz!
Wie war das möglich? Er konnte es nicht kennen. Es war erst viel, viel später hergestellt worden, dennoch war es für ihn etwas Besonderes, denn es fiel ihm schwer, seinen Blick davon zu lösen. Von dem Kreuz mußte eine Faszination ausgehen, die auch ihn in ihren Bann schlug.
Er bewegte den Mund. Irgend etwas wollte er sagen, vielleicht sogar Worte formulieren, doch er brachte keine hervor. Nur dumpfe, irgendwie urig klingende Laute, die ich nicht
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