0274 - Astrano - Herr der Geister
Blick nach oben, wo längst Seil und Trapez für die Pascals hingen. Er glaubte, dort oben eine Bewegung zu sehen, aber als er genauer hinschaute, war dort niemand.
Verschwunden - wie der Schatten zwischen den Käfigwagen…
Er beschloß aufzupassen. Er ahnte jetzt, wo die Gefahr zuschlagen würde: in der Manege!
Aber wann? Und gegen wen?
Langsam ging er zur Garderobe zurück.
***
Gryf atmete auf. Der Mann, der da so überraschend neben dem Laufgitter aus dem Zelt kam, hatte ihn nicht richtig gesehen, und Gryf konnte ihn abschütteln. Er ahnte nicht, daß es sein Freund Zamorra war. Er war ihm ja bisher noch nicht über den Weg gelaufen, und wie Zamorra ihn in der Dämmerung nicht erkannte, erkannte auch er den Parapsychologen nicht.
Gryf wollte jetzt noch nicht gesehen werden. Er wollte warten, bis Astrano auftauchte. Außerdem war seine Druiden-Kraft jetzt noch zu schwach.
Der andere verschwand wieder. Langsam glitt Gryf zwischen den Wagen wieder zurück zu seiner Beobachtungsposition. Von hier aus konnte er zugleich den Zirkus, Astranos Wagen und die Käfige im Auge behalten.
Plötzlich zuckte er zusammen.
Was war das da vor dem dunkler werdenden Himmel, oben auf der Zirkuskuppel? War da nicht jemand am Hauptmast?
Gryfs schockgrüne Augen verengten sich zu schmalen Spalten. Eine steile Falte erschien auf seiner Stirn.
Durchscheinende Wesen, die tanzten…
Geister!
Gryf schluckte. So sahen Geister aus! Er begann, unsicher zu werden. Woher kamen sie? Steckten sie etwa hinter den Vorfällen? Und war Astrano nicht daran beteiligt?
»Hm«, machte Gryf. Als er wieder hinschaute, waren die Geister auf der Zirkuskuppel verschwunden.
»Na wartet«, brummte er. »Auch wenn ihr Geister seid - hellsehen könnt ihr nicht, und deshalb kriege ich euch mit einer kleinen Überraschung so, wie ich auch Astrano kriege! Mal sehen, wer der Übeltäter wirklich ist! Und warum!«
Das Warten ging weiter. Die Zeit war noch nicht reif.
***
Moranos Stimme erscholl aus den großen Lautsprechern: »Sicher ist es Ihnen nicht entgangen, daß es in der vergangenen Nacht einen bedauerlichen Vorfall gab und wir Ihnen deshalb unsere Raubtiernummer vorenthalten müssen. Doch ist uns keine Mühe zu groß, und so gelang es uns, kurzfristig exklusiv für diese Vorstellung einen Mann zu engagieren, der Sie sicherlich völlig entschädigen wird. Die Rede ist von einem Mann, der überall als Zamorra, der Magier, bekannt ist. Zamorra und seine bezaubernde Gefährtin mit ihrer Dschungelmagie! Manege frei!«
Er schwenkte den Arm und trat zurück. Der Vorhang glitt auf. An ihm vorbei schritten ein Mann im Tropenanzug, einen großen grauen Wolf an der Seite, gefolgt von einem hübschen Mädchen im äußerst knappen Fransenbikini. In der Manegenmitte blieb der »Magier« stehen und drehte sich einmal in die Runde. Die Scheinwerfer strahlten auf ihn und seine Gefährtin nieder. Die Menschenmenge blieb im Dunkeln verborgen.
Aber Zamorra fühlte sofort, daß er sie im Griff hatte. Er fühlte sich sicher. Fenrir begann, vergnügt zu hecheln.
Zamorra konzentrierte sich auf die Illusionen, die er hervorrufen wollte. Er arbeitete ohne Netz und doppelten Boden. Es war nicht direkt Hypnose, sondern eher Halluzinationen, die er erzeugte, und immer wieder gestattete Nicole sich ein paar rasche, aufregende Bewegungen und fing die Blicke der Zuschauer ein, wenn bei Zamorra etwas nicht auf Anhieb klappte.
Der erste Applaus kam.
Dschungel-Magie !
Zamorra wandte das in der Praxis an, wovon er in Büchern gelesen hatte. Die kleinen Tricks, die in den Dschungeldörfern Afrikas die Zauberer vorführten, um ihre Mitmenschen im Dorf in Schrecken oder Entzücken zu versetzen. Da waren Schlangen, exotische Vögel, große Spinnen und dergleichen mehr. Keine bunten Tücher, keine Zylinder, keine Kaninchen und Tauben, sondern etwas ganz anderes, das in dieser Form keiner der Zuschauer erwartete.
Ur-Afrikas Magie feierte in der Manege ihren ersten Triumph!
Was schwarze Stammeszauberer ohne wirkliche Para-Kraft konnten, konnte Zamorra erst recht!
Und immer wieder Nicole in ihrer gewagten Kostümierung, die für Ablenkung sorgte. Zamorra selbst ließ sich nicht irritieren, aber zwischen zwei Illusionen flüsterte er ihr begeistert zu: »Den Fransenbikini solltest du auch privat öfter mal tragen, Dschungelgirl!«
»Nur, wenn du dich in den Lendenschurz hüllst«, flüsterte Nicole zurück.
Ein paar hundert Zuschauer sahen, wie Fenrir eine Schlange ausspie, die
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