0274 - Astrano - Herr der Geister
zu einem diamantenbestücken Dolch wurde. Zamorra warf den Dolch auf Nicole, und statt dessen zierte sie plötzlich eine wunderbare Goldkette, die sich allerdings sofort wieder auflöste.
»Und jetzt, sehr verehrtes Publikum«, sagte Zamorra, »lasse ich vor Ihren Augen meine Assistentin verschwinden -ohne Zauberkasten, wie Sie es von meinen Kollegen kennen. Einfach so. Eins -zwei…«
Bei drei wurde Nicole unsichtbar.
In Wirklichkeit verloren die Zuschauer sie nur aus den Augen, vergaßen ihre Anwesenheit einfach. Zamorra zwang ein paar hundert Menschen diese Vorstellung auf. Sie sahen alle, wie Nicole durchsichtig wurde und verschwand. Sie glaubten, es zu sehen! Dabei war das eine von Zamorras leichtesten Übungen überhaupt, wenn er erst einmal richtig im Training war. Tibetische Mönche hatten das schon vor Jahrhunderten gekonnt - inmitten einer Menschenmenge nicht gesehen zu werden! Unsichtbar sein, ohne unsichtbar zu sein! Und Zamorra drehte die Sache einfach so, daß nicht er verschwand, sondern Nicole.
Er hob die Hand, streckte sie flach aus. Darauf entstand ein Miniaturtiger, der immer größer wurde, bis Zamorra ihn scheinbar nicht mehr tragen konnte. Der Tiger sprang zu Boden, sah sich knurrend um und hetzte dann auf das Publikum zu.
Menschen schrien auf, weil sie das Raubtier für echt hielten.
Als der Tiger zum Sprung ansetzte, schnipste Zamorra mit den Fingern. Er sah das, was niemand außer ihm sah, nämlich, daß Nicole sein Spiel genau mitmachte.
Sie war der Tiger!
Und als er mit seinem Fingerschnipsen den Bann löste, stand Nicole auf dem Manegenrand, breitete die Arme aus und drehte sich einmal um sich selbst. Für die Zuschauer verwandelte sich der Tiger in das hübsche Mädchen.
Aber im gleichen Moment sah Zamorra noch etwas.
Aus der Höhe flog es herab!
Schatten? Schemen, geisterhaft durchsichtig! Blitzschnell packten sie Nicole. Die schrie erschrocken auf, als sie von den Geisterhänden hochgerissen wurde und im nächsten Moment schon zwei Meter hoch in der Luft schwebte!
Zamorra wirbelte herum.
Das gehörte nicht zu seiner Vorstellung! Hier griffen fremde Mächte ein, und als er die Arme hochriß, sah er grellrote Augen aufglühen. Rotäugige Geister jagten mit Nicole in die Höhe der Zirkuskuppel hinauf!
Das war der magische Angriff, auf den Zamorra gewartet hatte! Der Unbekannte schlug zu! Unwillkürlich griff Zamorra nach dem Amulett, aber es war nicht da! Er hatte es beim Umkleiden in der Garderobe liegengelassen!
Im gleichen Moment explodierte etwas förmlich in seinem Kopf.
Seine Arme sanken herab.
Er verneigte sich, während in der Höhe weder Geister noch Nicole zu sehen waren! Spurlos waren sie im Nichts verschwunden. So, als hätte es sie nie gegeben.
Sie war fort.
Und Zamorra war nicht in der Lage, etwas zu unternehmen, ihr zu helfen. In ihm wucherte etwas Fremdes, das ihn im Griff hielt, wie er vorhin die Zuschauer beeinflußte.
Schwarze Magie beeinflußte Zamorra, der nichts dagegen tun konnte. Zu überraschend kam der Angriff, überrumpelte ihn einfach und zwang ihn zum Nichtstun.
In ihm tobte eine Hölle. Angst um Nicole schüttelte ihn. Aber er stand hier in der Manege, verneigte sich unter dem schwarzmagischen Zwang seines Gegners und nahm den wilden, prasselnden Applaus seines ahnungslosen Publikums entgegen!
Begeisterte Menschen, die Nicoles Verschwinden in der Luft für den Abschluß der Show hielten, jubelten ihm zu.
Und Zamorra setzte einen Fuß vor den anderen und verließ im lockeren, lässigen Lauf die Manege, obgleich er es gar nicht wollte!
Niemand achtete mehr auf den Wolf, der sich längst beiseite geschlichen hatte und aus einer Deckung heraus in die Höhe spähte. Aber er fand Nicole nicht.
Sie war längst fort, irgendwo anders. Von Geistern verschleppt, deren Augen rot glühten.
Und rotglühende Augen sah Zamorra, als er die Manege verließ, aber als er noch einmal hinsah, waren diese Augen normal. Der große Astrano gratulierte seinem Kollegen aus Frankreich zu seiner grandiosen Show!
***
Antonio Sylpera, Tierpfleger, nahm an der Zirkusvorstellung nicht teil. Er befand sich immer noch in der Stadt. Trotz seiner Proteste hatte Gryfs Anwalt durchgesetzt, daß Sylpera durch einen Hypnose-Spezialisten untersucht wurde.
Der Anwalt und Inspektor Fischer wohnten der Untersuchung bei.
»Sie sind verrückt! Der Mann kann gar nicht hypnotisiert worden sein, weil er kein einziges Merkmal eines Hypnotisierten zeigt!« behauptete der Experte
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