0275 - Das Erbe des Satans
eigentlich, daß mich die Hunde angefallen haben?«
»Hector blutete aus der Nase. Außerdem traf ich eben Betty. Sie sagte mir, daß die Hunde hinter Ihnen her waren.« Er grinste und entblößte zwei Reihen gelblicher Stummelzähne.
»Wenn es noch einmal vorkommt«, sagte ich, »werde ich Missis Lane Bescheid geben müssen. Schließlich geht es nicht, daß durch Ihre Unvorsichtigkeit Menschen in Gefahr kommen.«
»Pah, Missis Lane«, knurrte er höhnisch. »Hier gibt Mister Lane den Ton an, und Sie täten gut daran, sich danach zu richten. Übrigens vergessen Sie, daß ich mich entschuldigen wollte. Stimmt gar nicht, wollte nur mal sehen, wie der neue Butler aussieht.« Er bleckte die Zähne und schob den Kopf vor. Ich versuchte festzustellen, wohin er gerade blickte. Aber es war mir nicht möglich, denn seine Blicke kreuzten sich dicht über der Nasenwurzel.
Der Bärtige schwenkte den Kopf einmal von oben nach unten. Später ging mir auf, das bedeuten sollte, er musterte mich von Kopf bis Fuß. Dann zeigte er wieder seine gelben Zahnstummel.
Er trat einen Schritt zurück. Im nächsten Augenblick spie er mir vor die Füße, wandte sich ruckartig um und stampfte davon.
»Wasch dich, bevor du das nächstemal kommst«, sagte ich. »Dann kann ich dir eine knallen, ohne mit der Hand kleben zu bleiben.«
Er hatte die Biegung des Flurs gerade erreicht. Jetzt blieb er stehen, drehte sich langsam in meine Richtung und kam dann wie eine Dampfwalze zurück.
Seine Hände hatten das Format von Müllschaufeln. Sein Brustkasten hätte sogar einen Gorilla mit Stolz erfüllt.
Ich ließ ihn bis auf knappe Armlänge herankommen, knallte dann einen rechten Haken aus einer Dreivierteldrehung auf jene Stelle, wo ich unter dem Bart sein Kinn vermutete und trat in mein-Zimmer zurück.
Hagert fiel ganz langsam um und erreichte den Boden erst, als ich die Tür bereits ins Schloß gedrückt hatte.
Ich trat vor den Spiegel und begann Butler-Gesichter zu üben.
***
Die letzten Minuten bis 19 Uhr verbrachte ich damit, mich an alles das zu erinnern, was mir Broderick Allison eingetrichtert hatte.
Bei den Mahlzeiten bestand meine Aufgabe in erster Linie darin, die Oberaufsicht zu führen. Das Servieren besorgten zwei Stubenmädchen.
Ich hatte lediglich den Herrschaften die Stühle zurechtzurücken, für das rechtzeitige Aufträgen der einzelnen Gänge zu sorgen und somit zwischen Küche und Speisesaal hin und her zu pendeln.
Außer Slim Hagert, dem Hundeführer — der inzwischen aus seiner Vollnarkose erwacht war und sich leise weggestohlen hatte — und Betty, dem einen der fünf Stubenmädchen, hatte ich noch niemand gesehen. Außer Joyce und Jesse Lane und Chuck und June Carpenter, die den Namen ihres verstorbenen Vaters führten, gab es noch Bill Cox, den Gärtner, und Josua Morgan und Ping Ten Wei, die beiden Köche.
Ich war gespannt auf die vollständige Versammlung.
Es war jetzt wenige Minuten vor 19 Uhr.
Ich strich mir zum letzten Male über die Frisur, zupfte meinen Frack gerade und machte mich auf den Weg zu meinem ersten Auftritt als John Gilford, der Butler.
Ich war kurz vor der Zeit in dem hohen Speisesaal, der mit allem nur erdenklichen Luxus ausgestattet war.
Ein schmaler langer Tisch war in völlig unamerikanischer Weise für vier Personen gedeckt. Viel Silber und sehr viel kostbares Porzellan lagen und standen auf einem weißen Tischtuch, das man selbst im Waldorf Astoria nur bei einem Galaempfang aufgelegt hätte.
Der Saal war noch leer.
Aber ich hatte kaum Zeit, mich etwas umzusehen, als auch schon eine zweite Tür aufging und Missis Joyce Lane erschien.
Sie blieb auf der Schwelle stehen, sah mich einen Augenblick erstaunt an und schien sich daran zu erinnern, daß ihr Butler Urlaub hatte und stattdessen ein Stellvertreter seinen Dienst antrat.
»Oh, Sie sind schon da«, sagte sie überflüssigerweise und kam auf mich zu. Sie hatte ein freundliches Gesicht, war etwas zu stark geschminkt und schien Freude an auffälliger Eleganz zu haben. Vielleicht war sie auch nur nach den Vorschriften der diesjährigen Mode gekleidet.
Sie reichte mir die Hand, und ich verneigte mich zu einer angemessenen Verbeugung.
»Wir sind Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Mister Gilford. Leider ist Mister Allisons Schwester so plötzlich erkrankt, und ohne einen erfahrenen Butler könnten wir uns so schlecht behelfen. Aber«, sie stockte, und es sah aus, als überlege sie, ob es nicht taktlos sei, das, was sie auf der Zunge
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