0275 - Das Erbe des Satans
mich ein leises Geräusch stutzig machte.
Es kam aus meinem Zimmer. In der nächsten Sekunde wiederholte es sich und war auf Anhieb nicht zu deuten. Es klang wie ein leichtes Rascheln.
Ich hatte die Tür meines Zimmers bereits zweimal geöffnet und wußte daher, daß die Scharniere nicht gut geölt waren. Die Tür quietschte leicht.
Also kam nur ein Überraschungsangriff in Frage.
Die Tür flog auf, und ich war mit einem Satz in meiner neuen Behausung.
Ein gellender Schrei war das Ergebnis.
Mit schreckgeweiteten Augen und ineinanderverkrampften Händen stand ein junges Mädchen in der Tracht einer Bediensteten vor meinem Bett.
Es war auf geklappt, und der Pyjama lag fein säuberlich über das Kopfkissen gebreitet.
Das Girl sah mich noch einige Sekunden wie erstarrt an. Dann wich der Schreck aus ihren Zügen und machte einem koketten Lächeln Platz.
»Betreten Sie Ihr Zimmer immer so temperamentvoll, Mister Gilfort?« fragte sie mit einem spitzbübischen Lächeln und strich die kleine weiße Schürze glatt, die sie über einem dunkelblauen Seidenkleid trug. Auf den blonden Locken saß ein weißes Gebilde, das ich nicht ganz als Häubchen identifizieren konnte. Jedenfalls schien ich in dieser hübschen Person eines der Stubenmädchen vor mir zu haben.
»Entschuldigen Sie, wenn ich so hereingeplatzt bin«, sagte ich und grinste.
»Aber mir steckt der Schreck noch immer in den Knochen. Ich bin eben mit knapper Not einer Bestie von Hund entwischt.«
Das Girl zog die Stirn kraus. Gedankenvoll rückte sie an meinem Kopfkissen herum, zog die Tischdecke meines Nachttisches gerade und schüttelte dann verständnislos den Kopf.
»Das verstehe ich nicht. Slim Hagert hat ausdrücklich Anweisung, die beiden Doggen nicht aus ihrem Gehege zu lassen. Sie sind doch wohl nicht etwa dort hineingegangen?«
»Ich werde mich schwor hüten. Die Köter haben mich direkt vor der Hintertür erwischt. Hätte ich dem ersten nicht die Tür vor die Spürnase gedonnert, dann könnten Sie jetzt meine abgenagten Gebeine im Garten zusammensuchen.«
»Puh, Mister Gilford. Ich habe schreckliche Angst vor den Tieren. Bis jetzt ist es noch nicht vorgekommen, daß sie im Park herumliefen. Slim Hagert hat doch ausdrücklich…«
»Hagert ist der Hundeführer?« unterbrach ich sie.
»Ja. Und ich bin Betty!« Sie machte einen anmutigen Knicks.
»Meinen Namen wissen Sie ja.« Ich erinnerte mich an meine Rolle als Butler und angeblicher Engländer und ließ das Grinsen in meinem Gesicht langsam einfrieren. Ich durfte allerdings nicht zu schnell die arrogante Miene aufsetzen, die ich für wirkungsvoll und charakteristisch hielt. Es wäre unglaubwürdig gewesen. »Sind Sie jetzt mit dem Aufräumen fertig?«
»Fertig, Mister Gilford. Ich werde Ihr Zimmer jeden Tag machen.« Sie strahlte mich an, und ich hob meine Mundwinkel um je einen halben Zentimeter.
Das Kammerkätzchen verschwand, und ich legte mich aufs Bett um nachzudenken. War es Zufall gewesen? Oder hatte der Hundeführer die Tiere absichtlich auf mich gehetzt?
Auf dem Flur vor meinem Zimmer erklangen schwere Schritte, die schnell näher kamen.
Dann wurde an die Tür geklopft.
Ich erhob mich von meinem Bett, strich die Decke glatt und trat zur Tür. Ich zog sie auf und sah mich einem großen Mann gegenüber, der nicht gerade vertraueneinflößend ausah.
Er schielte auf beiden Augen. Seine Nase war eingedrückt, was sich wahrscheinlich auf einen Faustschlag zurückführen ließ. Der Schädel war bis auf einige Haarinseln kahl. Was jedoch oberhalb der niedrigen Stirn zuwenig sproß, war um Kinn und Wangen herum zu reichlich vorhanden.
Ein schmuddeliges Bartgestrüpp von tiefem Schwarz hing dem Mann bis über den Kragen seines Baumwollhemdes. Er hatte die Figur eines Holzfällers. Ein durchdringender Geruch von Schweiß und Hunden ging von ihm aus.
»Ich möchte mich entschuldigen«, knurrte er. »Aus Versehen sind mir die Hunde auf dem Zwinger entwischt, als ich ihnen ihr Futter brachte. Mir ist das noch nie passiert. Aber die beiden waren wie toll.«
Ich sagte nichts, sondern starrte den unsympathischen Zeitgenossen durchdringend an. Er blieb unbeeindruckt.
»Ich hatte den Futternapf in den Händen. Wie immer wollte ich die Zwingertür mit dem Fuß hinter mir zuziehen. Aber die Hunde sprangen mich fast um, stießen die Tür auf und — weg waren sie. Ich merkte gleich, daß sie etwas Besonderes gewittert hatten. Aber ich dachte, es sei ein Kaninchen.«
»Woher wissen Sie
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