0275 - Der Fluch des Ägyptergrabs
Fußfesseln.
»Vorwärts!« sagte der Aufseher. »Wenn ihr zu fliehen versucht, treffen euch die Pfeile. Ich habe schon viele Menschen durch Krokodile sterben sehen. Es geht rasch. Die meisten der Unglücklichen hatten kaum genügend Zeit für einen Todesschrei!«
»Kannst du uns nicht vorher mit diesem Schrei töten?« fragte Ullich. Denn der Aufseher hatte bei ihrer Gefangennahme den Balmung und den Schockstrahler an sich genommen und beides an seinem Gürtel befestigt. Mit dem Strahler konnte er jedoch wenig anfangen, nur die ungewöhnliche Form reizte ihn, das Ding zu behalten und als Schmuckstück zu tragen. Das Schwert behütete er wie seinen Augapfel.
»Seid froh, daß ich die närrischen Priester überreden konnte, daß euch die Krokodile töten!« knurrte der Aufseher. »Sie hätten euch kraft ihrer Amtsgewalt auch vor den Thron des Pharao zerren können. Wer weiß, in welcher Laune der Pharao, er lebe ewig, sich dann gerade befunden hätte!«
»Bestimmt in keiner besonders guten, wenn er mich erkannt hätte!« erklärte Michael Ullich, und Carsten Möbius mußte trotz der ernsthaften Situation lachen. Der Aufseher, der vom außerehelichen Seitensprung der Pharaonengattin Nefritiri mit dem blonden Jungen nichts wußte, sah ihn befremdet an.
»Warum lachst du im Angesicht des Todes?« fragte er. »Gibt dir ein Gott die Kraft, über das Sterben erhaben zu sein?« In diesem Moment blickte Carsten Möbius auf den Schockstrahler, und durch seinen Kopf zuckte ein seltsamer Plan.
»Ja, ja, sicher!« beeilte er sich zu versichern.
»Und welcher Gott ist das?« fragte der Ägypter.
»Du trägst ihn am Gürtel!« sagte Carsten Möbius. »Ach, daß ich ihn doch im Angesicht des Todes noch einmal umfassen dürfte. Dann wäre das Sterben für mich kein Tod!«
»Sonderbare Götter habt ihr in den Nordlanden!« brummte der Aufseher. »Doch wenn du noch einmal zu deinem Fetisch beten möchtest … Warum nicht?« Niemand nahm Carstens triumphierenden Blick wahr, und Michael Ullich mußte an sich halten, um nicht loszuprusten. Er hatte den schlauen Plan des Freundes sofort begriffen.
Von diesem Moment an hatten die Männer, die in und Carsten Möbius zum Nil führten, keine Schwierigkeiten mehr. Willig ließen sich die beiden Jungen dorthin drängen, wo der Tod auf sie lauerte …
***
»… und nun, nachdem du gelernt hast, dich einigermaßen grazil vorwärts zu bewegen, bringe ich dir bei, wie du durch eine Tür zu kommen hast, Mädchen!« klang der strenge Ton von Helenas Stimme. In ihrer Hand zuckte die lange Lederpeitsche wie eine gereizte Kobra. Ein Stöhnen zeigte an, daß Tina Berner gerade aus ihrer Besinnungslosigkeit wiedererwachte.
»Bitte … Ich muß ihr helfen!« sagte Sandra, die sich bemühte, den Zorn von Helena nicht zu erregen. »Sie hat sicher starke Schmerzen!«
»Wasser! Nur einen Tropfen!« bat Tina mit leiser Stimme.
»Sage, daß du eine Sklavin bist, und ich selbst gebe dir zu trinken!« befahl die Griechin.
»Eine Sklavin …? Nie!« stieß Tina mit letzter Kraft hervor.
»Dann mußt du mit dem Wasser warten, bis deine Freundin gelernt hat, so eine Tür zu durchschreiten, daß ein Mann weder an Kriege noch an Weingelage oder Wagenrennen denkt!« sagte Helena von Troja. »Sieh her, Mädchen. Du mußt dazu den ganzen Körper einsetzen…!« Mit großen Augen beobachtete Sandra Jamis, wie sich Helena wie eine Schlange durch die Türöffnung schob. Jede ihrer Bewegungen war eine einzige Aufforderung. So alt die Frau war, so elastisch und biegsam war ihr Körper. Einer Katze gleich schob sie sich um den Türrahmen herum. Jede Faser des Körpers war gespannt. Mit jeder Bewegung wurden die weiblichen Formen betont. Der Blick war halb zu Boden gesenkt, halb fordernd erhoben.
»Und jetzt du!« befahl sie nach einer Weile. Gehorsam ging Sandra Jamis zur Tür. Scheu drehte sie sich um, denn Helena hatte den Raum nicht verlassen.
»Geh nach draußen, und komm rein!« befahl die Griechin, die sich auf einem Polster ausgestreckt hatte und an einer Weinschale nippte. »Wenn du zu fliehen versuchst … Die Wachen sind schnell … Und du hast gesehen, wie die Peitsche wirkt!«
»Ich gehorche, Herrin!« stieß Sandra Jamis hervor. Dann öffnete sie die Tür. Da – war da nicht ein Luftzug, der an ihr vorbeihuschte? War das nicht der Stoff eines Gewandes, der ihren nackten Körper berührte?
Aber es war niemand zu sehen. Schnell öffnete Sandra wieder die Tür, die sie einen Moment
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