028 - Zimmer 13
das?«
Lila erhob sich und ging dem Fremden entgegen, der, den Hut in den Händen drehend, stehenblieb und ihr zulächelte.
»Es tut mir leid, wenn ich störe«, begann er. »Eine herrliche Gegend, nicht? Wenn ich mich recht entsinne, ist das Dellsea Vicarage? Ich kannte früher den Pfarrer - ein reizender Mann! Sie haben das Haus wohl von ihm gemietet?«
Halb belustigt, halb ärgerlich antwortete sie kurz:
»Das ist Dellsea Vicarage. Wollen Sie jemand sprechen?.«
»Ich wollte - Mr. Jeffrey . « Er verdrehte die Augen und starrte zum Himmel empor, als suchte er aus irgendeinem verborgenen Winkel seiner Erinnerung einen Namen hervorzuziehen, der ihm nicht ohne besondere Anstrengung einfallen wollte.
»Ja, ich wollte Mr. Jeffrey Legge sprechen, das ist der Name - Mr. Jeffrey Legge ...«
»Er ist sehr krank und kann keinen Besuch empfangen.«
»Das tut mir leid«, sagte der Fremde. Sein sanftes Gesicht drückte wärmste Anteilnahme aus. »Wirklich sehr leid.« Er klemmte, um irgend etwas zu tun, seinen Kneifer fast unten auf der Nasenspitze fest und blickte Lila über die Gläser hinweg an.
»Vielleicht könnte er mich doch auf einen Augenblick empfangen? Ich bin gekommen, um mich nach seinem Befinden zu erkundigen.«
»Wie ist Ihr Name?«
»Reeder. - J. G. Reeder.«
Sie spürte, wie sie blaß wurde, und wandte sich schnell um.
»Ich will ihn fragen.«
Als Jeff den Namen hörte, verzog er das Gesicht.
»Das ist der Kerl, den die Banken, vielleicht sogar die Regierung, auf mich gehetzt haben«, knurrte er leise. »Laß ihn kommen!«
Lila winkte über den Rasen, und Mr. Reeder kam tänzelnd angeeilt.
»Es tut mir leid«, begann er sich zu entschuldigen, »Sie in einem so bejammernswerten Zustand zu sehen, Mr. Legge. Ich hoffe, es geht Ihrem Vater gut?«
»Kennen Sie denn den Alten?« fragte Jeff überrascht.
»Ja, ich habe Ihren Vater kennengelernt. Ein sehr unterhaltender und geistreicher Mann. Höchst geistreich!«
Jeff schwieg zu diesem anerkennenden Urteil über die Qualitäten seines Vaters.
»Es ist in letzter Zeit viel über eine gewisse verbrecherische Tätigkeit geredet worden, die natürlich im geheimen vor sich geht.« Mr. Reeder zeigte in der Wahl seiner Worte eine große Sorgfalt. »Obwohl ich außerhalb des Weltgetriebes lebe, gewissermaßen in den stillen Seitenbuchten des Lebensmeeres, höre ich trotzdem seltsame Gerüchte über die Verbreitung verbotenen Geldes - ich glaube, man nennt es ›Blüte‹ oder ...«
»Es heißt Blüte -«, bestätigte Jeff der den Besucher nicht aus den Augen ließ.
»Ich bin überzeugt, daß sich die Personen, die sich in dieses Unternehmen eingelassen haben, der ungeheuer ernsten Natur ihres Vergehens nicht bewußt sind.« Mr. Reeder unterbrach seinen Vortrag und blickte über den Rasen und den blumenreichen Garten. »Wie schön ist die Welt, Mr. Jeff - ich bitte um Verzeihung, Mr. Legge natürlich. Wie reizend sind diese Blumen! Ich muß gestehen, wenn ich Glockenblumen sehe, kommen mir immer die Tränen in die Augen. Übrigens, es sind wohl gar nicht Glockenblumen«, verbesserte er sich, »in dieser vorgerückten Jahreszeit. Aber dieser eigentümliche, blaue Farbton! Und die herrlichen Rosen - sie duften bis hierher.«
Jeff Legge sagte nichts, und er lachte auch nicht, als Reeder die Augen schloß und geräuschvoll die Luft einsog, so komisch es auch wirkte.
»Ich weiß es natürlich nicht aus eigener Anschauung, aber ich denke mir, daß im Dartmoorgefängnis nur ein paar Blumen in Töpfen blühen - und auch die sehen die Gefangenen nie, mit Ausnahme des einen Bevorzugten, der die Aufgabe hat, sie zu gießen. Ein Lebenslänglicher wohl, im allgemeinen. Ein Leben ohne Blumen, es muß eine armselige Sache sein, Mr. Legge -.«
»Ich mag Blumen nicht besonders«, versicherte Jeffrey.
»Wie schade!« Reeder sagte es im Ton tiefsten Bedauerns. »Wie furchtbar schade. Von der Anstalt aus gibt es aber auch keine Aussicht auf die See, nicht ›bunte Schiffe auf dem bunten Meere‹, wie es in einem bekannten Gedicht heißt. Kein herrliches Gefühl der Freiheit - wirklich nichts, was das Leben für einen Menschen, der, sagen wir, zu fünfzehn oder zwanzig Jahren verurteilt ist, erträglich machen könnte.« Als Jeff schwieg, fragte er: »Lieben Sie Kaninchen?«
»Nein, kann ich nicht sagen.«
Mr. Reeder stieß einen Seufzer aus.
»Ich liebe Kaninchen sehr. Wenn ich ein Kaninchen eingesperrt sehe, kauf ich es, bring' es in den nächsten Wald und lasse es
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