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028 - Zimmer 13

028 - Zimmer 13

Titel: 028 - Zimmer 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Der Autobus setzte sich in Bewegung. Gray sah nach dem Schild, das die Endstation bezeichnete. Es war Victoria.
    Merkwürdig, dachte er. Victoria war der Bahnhof, von dem die Züge nach Horsham abgingen.

16
    Mr. Reeder' stieg am Victoriabahnhof aus dem Autobus, löste eine Rückfahrkarte dritter Klasse nach Horsham, kaufte sich am Kiosk den ›Economist‹ und eine Nummer der ›Poultry World‹ (Geflügelwelt) und setzte sich, auf solche Weise für die Fahrt ausgerüstet, in ein leeres Abteil. Von diesem Augenblick an bis zur Einfahrt des Zuges in Horsham nahmen ihn teils die seltsamen Eigenschaften der Wyandottehühner, teils die Kursschwankungen in Anspruch.
    Vor dem Bahnhof in Horsham warteten viele Taxis, die bereit und sogar begierig gewesen wären, Mr. Reeder für eine geringe Summe an seinen Bestimmungsort zu bringen. Er blickte jedoch durch die Menschen hindurch oder über ihre Köpfe hinweg. Seinen Schirm als Spazierstock benutzend, machte er sich auf den Weg nach Manor Hill.
    Peter Kane saß im Wohnzimmer und rauchte gedankenvoll eine Zigarre, als Barney mit der Neuigkeit hereinkam.
    »Draußen ist eine alte Vogelscheuche, die Sie sprechen will.«
    »Wer ist es?«
    »Ein alter Kerl, den ich noch nie gesehen habe. Er sagt, er heiße Reeder.«
    »Reeder?« Peter runzelte die Stirn.
    »Für einen Greifer ist er zu wacklig, er sieht eher aus, als wollte er Unterschriften für die Orgel der Kapelle sammeln.«
    Das war, wie Peter wußte, keine schlechte Beschreibung.
    »Bring ihn herein, Barney, und halt deinen Mund! Merk dir, das ist der klügste Greifer, der dir je untergekommen ist.«
    »Ein Polyp?« staunte Barney ungläubig.
    »Wo ist Marney?« fragte Peter.
    »Oben in ihrem ›Budwar‹«, berichtete Barney wohlgefällig.
    »Sie schreibt Briefe. Einen hat sie an Jonny geschrieben. Er fängt an: ›Lieber, guter Junge .. .‹«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich hab's gelesen«, sagte Barney nicht ohne Stolz. »Ich bin ein guter Leser. Ich kann alles umgekehrt lesen, weil ich als Knabe mal in einer Druckerei arbeitete.«
    »Bring jetzt Mr. Reeder herein!« befahl Peter scharf. »Und sieh dich vor, Barney, wenn ich dich dabei erwische, daß du meine Sachen ›umgekehrt‹ liest ...«
    Barney verließ mit trotzigem Gemurmel, wie es bei ihm nach solchen Drohungen üblich war, das Zimmer.
    Mr. Reeder erschien bald danach auf der Schwelle, den Zylinder in der einen, den Schirm in der andern Hand. Auf seinem Gesicht lag ein tiefunglücklicher Ausdruck.
    »Guten Morgen, Mr. Kane. Was für ein schöner Morgen für einen Spaziergang! Es ist eine Sünde, an einem solchen Tag im Zimmer zu bleiben. Geben Sie mir einen Garten mit Rosen, einem leichten Hauch von Heliotrop -. Wenn ich einen Wunsch äußern darf ...«
    »Sie wollen mich im Garten sprechen?« fragte Peter. »Vielleicht haben Sie recht.«
    Barney, der sein neugieriges Ohr ans Schlüsselloch gepreßt hielt, stieß einen leisen Fluch aus.
    »Ich war gestern in einem Garten«, erzählte Mr. Reeder, als sie über den Rasenplatz zu den tiefer gelegenen Terrassen gingen. »Ein reizender Garten! Ein Beet war mit blauen Blumen bepflanzt. Eine blaue Blume hat etwas so Rührendes, bei dem mir immer Tränen kommen. Rhododendron bringen mich in Wut. Ich weiß nicht warum. Ein Rhododendronbusch weckt alles Böse, das in meinem Wesen liegt, auf. Narzissen dagegen, besonders wenn sie mit Hyazinthen gemischt sind, besänftigen mich. Der Garten, von dem ich sprach, hatte noch den besonderen Reiz, daß er am Ufer des Meeres lag - ein wahrer Garten Eden, Mr. Kane, ob schon - ja, ob schon es da mehr Schlangen als üblich gab. Die eine Schlange lag in einem Lehnstuhl, die andere gab im Dorf Briefe auf, und dann gab es noch die sozusagen offizielle Schlange, die sich hinter einem Gebüsch verborgen hielt und mir den ganzen Weg von London aus gefolgt war - ich nehme an, im Auftrag dieses irregeleiteten Gentlemans, Mr. Craig.«
    »Wo waren Sie, Mr. Reeder?«
    »In einer Villa am Meer, ein herrlicher Platz, ein wahres Paradies auf Erden«, seufzte Mr. Reeder. »Ein Ort, an den sich ein kluger Mann begibt, wenn er genesungsbedürftig ist, und der Herr im Lehnstuhl war ohne Zweifel genesungsbedürftig.«
    »Sie haben Jeff Legge besucht, wie? Nehmen Sie Platz.«
    Peter Kane wies auf die Marmorbank, auf der schon Jonny an einem gewissen Hochzeitstag, in traurige Gedanken vertieft, gesessen hatte.
    »Ich denke, lieber nicht.« Mr. Reeder starrte kopfschüttelnd auf den Marmorsitz. »Ich

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