0280 - Turm der weißen Vampire
Szenen abgespielt haben, und während die Fairbanks’ dort hausten, sollen sie es auch wild getrieben haben.«
»Wo ist denn ihr Vater begraben?« fragte Suko. »Oder zerfiel er zu Staub?«
»Das weiß niemand.«
Wir unterhielten uns, während wir auf die Kirche zugingen, denn dort lag auch das Haus des Paters. Ich schloß das Portal der Kirche. Ein Duft von Weihrauch wehte mir noch entgegen.
Die anderen waren schon weitergegangen. Ich folgte ihnen langsamer über einen schmalen plattierten Weg, der direkt zum an der Seite des Hauses liegenden Eingang führte.
Dort warteten die anderen.
»Die Tür ist offen«, meldete Suko.
»Auf dieser Insel schließt niemand etwas ab«, erklärte uns Ruth Thompson.
Wir drückten die Tür nach innen, gelangten in eine Diele, in der besonders der alte Steinofen auffiel. Davor stand ein runder Tisch mit vier Stühlen.
Die Stille des Hauses umfing uns wie ein Tuch. Man spürt es irgendwie, wenn in einem Haus jemand lange gewohnt hat und plötzlich aus dem Leben gerissen wird. Da befanden sich noch Erinnerungen, sie schwebten unsichtbar in der Luft.
Wir traten nur sehr vorsichtig auf, und Ruth führte uns in das kleine Arbeitszimmer des Pfarrers.
Es war spartanisch eingerichtet. Da gab es keine gepolsterten Stühle, sondern nur harte Sitzflächen. Ein schlichtes Regal war mit Büchern vollgestopft.
Ich schaute mir deren Rücken an. Theologische und philosophische Schriften stachen mir ins Auge, aber nichts, was auf irgendwelche Teufelskulte oder Schwarze Magie hingewiesen hätte.
Die normalen Bücher eines Geistlichen.
»Welche Räume liegen denn oben?« hörte ich Pater Ignatius fragen.
»Dort hat er nur geschlafen.«
Ignatius schaute uns an. »Vielleicht finden wir dort etwas, das uns einen Hinweis gibt.«
»Es existiert auch noch ein Keller«, sagte Ruth.
»Dann gehen wir da zuerst rein«, sagte Suko und drehte sich bereits um.
Wir hatten nichts dagegen und ließen uns von Ruth zu einer Tür führen, die sehr schmal war.
Und auch abgeschlossen.
»Das verstehe ich nicht«, murmelte die Frau. »Es ist doch sonst immer alles offen.«
»War früher auch schon abgeschlossen?«
Sie nickte mir zu. »Wahrscheinlich. Wer von uns hat je den Keller betreten?«
Da hatte sie recht. Suko bat die anderen, ein wenig zur Seite zu treten, schaute sich das Schloß an und meinte: »Das packen wir, John!«
Wir packten es innerhalb weniger Minuten, konnten die Tür aufdrücken und den Keller betreten. Vor uns lag zwar eine Treppe, doch einen Lichtschalter sah ich nicht.
Dafür ein Bord, auf dem einige Kerzen standen. Ich zündete die Dochte an. Jeder von uns bekam eine Kerze, und mit ihr in der Hand schritten wir die Treppe hinab.
Auf den Stufen lag dicker Staub. Die Flammen flackerten und tanzten, produzierten Schatten, die über die helleren Wände tanzten und sie mit einem zuckenden Muster bedeckten.
Am Fuße der Treppe blieben wir stehen. Ich mußte den Kopf einziehen, da die Decke zu niedrig war.
Wir gelangten in einen kleinen viereckigen Raum und sahen noch eine Tür.
Sie war mit einem Holzschloß gesichert. Suko und ich brachen sie gemeinsam auf. Kaum war die Tür einen Spalt offen, als wir schon einen scheußlichen Geruch wahrnahmen.
Ich zuckte zurück und winkte Pater Ignatius zu, der mein Zeichen verstand und Ruth Thompson festhielt.
Wenn man von Vorahnungen sprechen kann und auch an sie glauben will, so hatte ich diese Vorahnung, denn ich glaubte plötzlich daran, einem Geheimnis auf der Spur zu sein.
Suko und ich ließen uns die Kerzen geben und hielten sie fest, als wir den Raum betraten.
Unheimlich war es schon. Nur unsere Schritte hörten wir. Die Flammen bewegten sich ein wenig. Wir schoben unsere Arme vor und vernahmen hinter uns Schritte und dann den gellenden Schrei!
Fast hätte ich die Kerze fallen gelassen, so sehr hatte mich der Schrei erschreckt.
Aber auch das, was wir zu sehen bekamen, war schlimm genug.
Ruth hatte es im gleichen Augenblick entdeckt wie wir.
Auf einem Stuhl festgebunden hockte eine uralte, halbverweste Leiche. Und in ihrer Kehle steckte eine silberne Feder!
***
Ich hätte gern tief durchgeatmet, aber das konnte ich meiner Lunge bei dieser nach Verwesung riechenden Luft nicht antun. So blieb ich stehen, hielt den Atem an und starrte auf die gefesselte Person.
Sie sah schrecklich aus. Das Gesicht bestand noch zur Hälfte aus Haut. Der andere Teil waren Knochen. Am Hals hatte sich die Haut noch erstaunlich gut gehalten.
Die
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