0280 - Turm der weißen Vampire
daran, dies zu tun. Im Gegenteil, ich wollte ihn als Staub sehen. Das Kreuz schaffte ihn leider nicht. So blieb mir nichts anderes übrig, als nach einem anderen Weg zu suchen. Und ich fand eine Waffe, denn ich bekam heraus, daß er vor langen Jahren in der Einsamkeit der Berge einmal den männlichen Part eines Adlerpaares getötet hatte. Seit dieser Zeit wurde er von dem weiblichen Vogel verfolgt, doch der Adler kam nicht dazu, ihn zu töten. Er starb zuvor. Ich aber entnahm seinem Körper eine Feder, bestrich sie mit flüssigem geweihten Silber und steckte sie in den Hals des Unheimlichen. So wurde er gebannt. Er konnte sich nicht mehr bewegen und verweste, obwohl er noch nicht tot war. Erst wenn ich die Feder aus dem Hals zog, war er vernichtet. Mit diesem Wissen und mit dieser Tatsache konfrontierte ich seine sieben Söhne. Ich erpreßte sie und konnte sie deshalb in den alten Turm locken, so daß die Menschen fortan Ruhe hatten. Einmal im Jahr ging ich in den Turm und machte ihnen klar, daß ihr Vater noch lebte. Deshalb versuchten sie auch nicht, den Bann zu brechen, obwohl ihr Blutdurst unermeßlich gewesen sein muß. Kein Mensch hat das ewige Leben, auch ich nicht, und ich fühlte den Zeitpunkt meines Todes nahen. Noch einmal besuchte ich das Kloster St. Patrick, um mit meinem alten Freund und Mitbruder Pater Ignatius zu sprechen. Er sollte…«
Was Father Ignatius sollte, erfuhren wir nicht, denn das Band begann zu schleifen, zu kratzen, zu quietschen und zu pfeifen.
Ich hielt es an, ließ es zurücklaufen, um noch einmal von vorn zu beginnen.
Abermals hörten wir die gleiche Geschichte, und das Band hakte wieder an derselben Stelle.
Nichts zu machen.
Ich schaltete es aus und schaute Pater Ignatius an. »Nun, hast du das erwartet?«
»Nein.« Er schüttelte den Kopf. »Damit hätte ich nicht gerechnet. Jetzt wissen wir, was die Feder zu bedeuten hat.«
»Und können uns darauf einstellen«, fügte Suko hinzu. »Was hältst du davon, wenn wir den sieben Söhnen einmal einen Besuch abstatten?«
»Das wäre im Schloß«, sagte Ruth.
»Ja.«
»Wenn sie wirklich den Turm verlassen haben, dann müßten sie dort ganz bestimmt zu finden sein.«
»Wer geht mit?« fragte Suko.
Alle wollten, doch dagegen hatten wir etwas einzuwenden. Father Ignatius sollte mit Ruth Thompson zurückbleiben und auf uns warten.
»Wo meinen Sie?« fragte Ruth.
»Das Dorf ist ja klein genug.«
»Oder am Turm. Ich muß meinen Vater sehen.«
»Sollen wir ihn dort begraben?« fragte der Pater.
»Ja, er liebte das Meer. Mein Vater soll auch im Tod noch einen Blick auf die Wellen werfen können…«
***
Wir hatten bisher zwar schon einige schreckliche Dinge erlebt, waren aber von gefährlichen Attacken verschont geblieben. Daß sich dies ändern konnte, und zwar sehr schnell, dieser Meinung waren Suko und auch ich.
Wir waren sehr gut ausgerüstet, um auch gegen sieben Vampire bestehen zu können. Allerdings glaubten wir nicht, daß sie es uns sehr einfach machen würden, und deshalb waren wir entsprechend vorsichtig und behielten stets die Umgebung im Auge.
Diese Insel war auch ein Paradies für Seevögel. Wir sahen zahlreiche Nistplätze zwischen den Felsen. Möwen und Seeschwalben kreisten über unseren Köpfen. Ihr Schreien und Kreischen begleiteten unseren Weg zum Schloß.
Von einem heißen Sommer, wie wir ihn in London hatten, spürten wir hier oben nichts mehr. Der Wind blies ziemlich kalt. Er schnitt durch unsere Jacken oder wehte sie in die Höhe.
Je näher wir der Burg kamen, um so genauer konnten wir deren Verfall sehen. Sie hatte in den letzten Jahren schwer gelitten, an einigen Stellen war sie sogar eingestürzt, das galt besonders für die hohe, wuchtige Mauer, die den Innenhof der Burg umschloß.
Sie lag auf einem Hügel. Sicherlich konnte man vom Turm die gesamte Insel überblicken.
Ich erkannte die romanische Bauweise. Demnach konnte das Gebäude schon tausend Jahre alt sein, wenigstens die Grundmauern.
Zumeist hatten die nachfolgenden Besitzer immer wieder an- oder umgebaut. Oft sogar in verschiedenen Stilrichtungen, je nach Epoche.
Sicherlich würden wir in der Erde auch Verliese und Folterkeller finden. Verstecke, in denen sich auch Vampire verborgen halten konnten. Jedenfalls waren wir entschlossen, dort nachzuschauen.
Wir stiegen bereits den Hügel hinauf und hatten noch immer keine Spur von den weißen Vampiren gesehen. Wenn wir nach rechts schauten, sahen wir den Leuchtturm wie einen dicken,
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