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0280 - Wir und der Mörder ohne Namen

0280 - Wir und der Mörder ohne Namen

Titel: 0280 - Wir und der Mörder ohne Namen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wir und der Mörder ohne Namen
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fünfstöckigen grauen Mietskaserne. Im Treppenhaus blätterte der Kalk von den Wänden. Einen Aufzug gab es nicht. Der Geruch von angebranntem Gemüse schien das ganze Gebäude zu erfüllen.
    Ich klingelte an der verschrammten Korridortür, neben der ein Namensschild mit der Aufschrift Fletcher hing.
    Es dauerte eine Weile, und ich wollte schon zum zweitenmal klingeln, als sich hinter der Tür schlurfende Schritte näherten. Dann wurde geöffnet, und ich sah mich einer etwa 40jährigen Frau gegenüber, deren Augen in dem verhärmten Gesicht glanzlos blickten.
    Ich zog den Hut. »Mrs. Fletcher?«
    »Ja, das bin ich.«
    »Mein Name ist Cotton. Ich bin FBI-Beamter und habe einige Fragen an Sie. Darf ich hereinkommen?«
    Die Frau zögerte sekundenlang, trat aber schließlich zur Seife und ließ mich ein. Sie führte mich über einen kurzen Flur in ein ärmlich eingerichtetes Wohnzimmer. Vor dem Fenster saß ein etwa vierjähriger blonder Junge und spielte mit Bauklötzen.
    Trotz der Armut, die man hier überall spürte, war die Wohnung sauber und adrett.
    Die Frau setzte sich auf eine zerschlissene Couch und bot mir einen Stuhl an.
    »Wovon leben Sie augenblicklich?« fragte ich.
    »Ich arbeite halbtags in einer Wäscherei«, kam die erstaunte Antwort.
    »Und damit haben Sie Ihr Auskommen?«
    Die Frau zuckte resigniert die Achseln. »Es reicht gerade für mich und meine beiden Kinder.«
    Ich nickte und schwenkte dann vorsichtig auf das eigentliche Thema.
    »Mrs. Fletcher«, begann ich, »bis heute ist der Tod Ihres Mannes ungesühnt. Sein Mörder läuft noch immer frei herum. Als damals der Mestize Saminale vor Gericht stand, wurde nur ein fadenscheiniges Motiv vorgebracht. Ich bin überzeugt, daß es sich keineswegs um einen Raubüberfall handelte.«
    Mit einem seltsamen Ausdruck in den Augen blickte mich die Frau an. Fast eine Minute verging. Die Frau bewegte lautlos die Lippen. Es sah aus, als ringe sie mit einem Entschluß. Prüfend ruhte ihr Blick auf mir. Dann gab sie sich einen Ruck. »Es war kein Raubmord«, sagte sie langsam. »Heute weiß ich es.«
    »Mrs. Fletcher, bitte, erzählen Sie jetzt alles der Reihe nach! Alles, was Sie wissen. Sie dürfen nichts auslassen. Alles kann wichtig sein. Es geht darum, daß der Mörder Ihres Mannes gefaßt wird.«
    Die Frau senkte den Kopf, nestelte unruhig am Band ihrer Schürze und begann stockend zu sprechen. »Mein Mann hatte keine Feinde. Er war gutmütig und liebenswürdig. Immer war er das. Viele Wochen nach seiner Ermordung, als ich wieder klar denken konnte, grübelte ich über den Grund seines gewaltsamen Todes nach. Ich fand nichts. Keinen Hinweis, einfach nichts. Aber mir fiel wieder ein, daß mein Mann die letzten Tage vor seinem Tod eigenartig bedrückt gewesen war. Aber auch das wußte ich nicht mehr genau. So kam es, daß auch ich damals an einen Raubmord glaubte oder an die Tat eines Wahnsinnigen.«
    »Und heute wissen Sie, daß es etwas anderes war?«
    »Ja, heute weiß ich es. Vor zwei Monaten beschloß ich, die Anzüge meines Mannes zu verkaufen. Hier im Haus wohnt jemand, der etwa die gleiche Figur hat wie mein Mann. Dieser Mr. Brown sprach mich darauf an. Da ich seit dem Tod meines Mannes nur wenig Geld zur Verfügung habe, willigte ich ein. Ich suchte also die vier besten Anzüge heraus, bürstete sie aus und glättete sie. Darunter befand sich auch ein völlig neuer, noch ungetragener Anzug. Bill — so hieß mein Mann — hatte ihn zwei Tage vor seiner Ermordung gekauft. In den neun Monaten seit jenem schrecklichen Tag habe ich diesen Anzug nie angerührt, da ich sicher war, daß sich nichts in den Taschen befand. Aber ich irrte mich. Als ich den Anzug hervorholte, fand ich einen Brief in der Innentasche des Jacketts. Ich las ihn. Und dann wußte ich, warum man meinen Mann ermordet hatte.«
    »Haben Sie den Brief noch?«
    »Nein, in einer Panikstimmung verbrannte ich ihn. Aber ich kann genau sagen, was darin stand. Bill wurde aufgef ordert, 100 000 Dollar aus der Kasse der National Bank zu entwenden. 80 000 sollte er in einer Aktentasche an einer bestimmten Stelle des Lincoln Park ablegen. 20 000 sollte er behalten und damit verschwinden. Wenn er dieser Aufforderung nicht nachkäme, würde er getötet werden. Unterzeichnet war der Brief mit Dämon.«
    Sekundenlang sagte ich kein Wort. Dann griff ich in meine Brieftasche, zog einen 50-Dollarschein hervor und gab ihn der Frau.
    »Machen Sie Ihren Kindern eine Freude! Kaufen Sie Ihnen etwas Schönes!«

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