0281 - Shimadas Mordaugen
Shao ging, die einen erschreckten Ruf ausstieß, als sie dessen Wunde sah.
»Was ist passiert?«
»Nur ein kleiner Kratzer«, schwächte der Chinese ab.
»Wirklich?«
»Ja.« Suko drückte seine Freundin auf den Besucherstuhl. Ich hatte auf der Schreibtischkante meinen Platz gefunden, während Glenda in ihrem Vorzimmer verschwunden war. Wir hörten das Klappern von Geschirr.
Meine Sekretärin wußte genau, was uns jetzt guttat. Eine Tasse Kaffee.
Die löschte bei der Hitze am besten den Durst.
Ich sah es Shao an, daß sie etwas auf dem Herzen hatte, doch sie hielt sich so lange zurück, bis Glenda erschien und zwei Tassen Kaffee hereintrug.
Sie stellte sie auf dem Schreibtisch ab, bückte sich dabei, und mein Blick verirrte sich in dem runden Ausschnitt ihrer knallbunten Bluse, die wirklich gut gefüllt war.
»Alles gesehen?« fragte Glenda, als sie sich wieder aufrichtete.
»Nicht ganz.«
»Das ist auch verboten«, sagte Glenda, drehte sich lächelnd um und nahm ebenfalls Platz.
Wir tranken den Kaffee und waren gespannt, was Shao auf dem Herzen hatte. Sie stand unter einem regelrechten Druck und mußte ihn einfach loswerden.
Wir hörten zu.
Es war unglaublich. Während Shao redete, wurden unsere Gesichter immer erstaunter. Suko legte seine Hand auf Shaos bloße Schulter, als wollte er ihr mit dieser Geste seinen Schutz beweisen.
Wir erfuhren von der lebenden Legende.
Shimada lautete sein Name, und der Beiname war wesentlich schrecklicher.
Die lebende Legende!
Furchtbar. Wir hatten erlebt, wie dieser Dämon kämpfen konnte, und er verstand es auch, sich zu verbergen. Denn seinen zweiten Namen hatten wir ebenfalls erfahren: Herr der 1000 Masken.
Darauf kam Suko zurück. »Wie sollen wir ihn erkennen, wenn er sich verkleidet?«
Ich hob die Schultern. »Vielleicht findest du eine Wünschelrute, die auf ihn anspricht.«
»Witzbold.«
»Ich finde auch, daß es keine Zeit ist, zu scherzen«, meldete sich Glenda. »Allein der Name Shimada ist schlimm genug. Laß es lieber sein, John.«
»Okay.« Ich winkte ab.
Suko erinnerte wieder an den Fall, als Susanoo Shao entführte. »Wir müssen davon ausgehen, daß wir wieder in einen Streit der Helden aus der japanischen Mythologie hineingeraten. Daran gibt es für mich nichts zu rütteln.«
»Vielleicht wird es Krieg geben«, vermutete Shao.
»Zwischen welchen Parteien?«
Shao schaute mich direkt an. »Der Goldene wird bestimmt nicht auf seiner Seite stehen.«
Da war ich skeptisch. »Wenn du das so sagst, gehst du vielleicht davon aus, daß er uns helfen wird.«
»Ja.«
»Nein, Shao. Der Goldene ist nicht unser Freund. Das hat er mir gesagt. Er ist sehr überheblich und erkennt uns als Helfer nicht an. Das habe ich längst herausgefunden. Tut mir leid, wenn ich dich da so enttäuschen muß.«
»Es sei denn, es ginge ihm persönlich an den Kragen«, meldete sich Suko.
»Dann sieht die Sache anders aus«, gab ich zu.
»Nur weiß niemand, was Shimada vorhat«, sagte Shao. »Und das genau ist das Schlimme.«
»Hattest du nicht von Zombies und Ghouls gesprochen?« stellte ich die Frage.
»Das sagte Amaterasu. Aber ich weiß nicht so recht…«
»Und er wird Diener haben, das heißt, er hat sie schon. Zwei haben wir getötet«, erklärte Suko. »Wir müssen uns mit Ninjas auseinandersetzen, die wohl auf seiner Seite stehen.«
Suko sprach noch mit den Frauen, ich hörte gar nicht hin, denn mir war etwas anderes durch den Kopf gegangen. Meine Freunde merkten, wie geistesabwesend ich war, und der Inspektor sprach mich an.
»He, John, was hast du?«
Ich erwachte wie aus einem Traum und mußte mich zunächst zurechtfinden. »Mir geht nicht aus dem Kopf, was Amaterasu alles zu Shao gesagt hat. Unter anderem sprach sie von Zombies und Ghouls, die Shimada auf seine Seite bringen will. Aber da wird er seine Schwierigkeiten mit einem anderen bekommen.«
Mein Freund hatte mich verstanden. »Xorron!«
»Genau!«
Wir waren starr. Niemand redete in den nächsten Sekunden. Wir alle wußten, was diese aus einem Wort bestehende Antwort zu bedeuten hatte. Xorron gegen die lebende Legende Shimada. Da würde uns etwas bevorstehen, falls unsere Vermutung zutraf. Und vielleicht als Joker noch der Goldene Samurai.
Man durfte überhaupt nicht daran denken, wie das alles noch enden konnte.
»Irgendwo treffen sich die japanische und die chinesische Mythologie«, sagte Shao, »und wir stehen leider genau dazwischen.«
Sie hatte ein wahres Wort gesprochen. Bei Shao war
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