0282a - Der Mörder und sein blonder Schwarm
passiert«, keuchte Miss Edwards atemlos. »Heute Morgen rief mich John an. Sie haben recht. Er lebt! Er verlangt von mir, dass ich mit ihm das Land verlasse. Ich habe heute Morgen bereits versucht, Sie zu erreichen. Aber Sie meldeten sich nicht. Was soll ich tun?«
»Haben Sie Dr. Remage von diesem Anruf erzählt?«
»Nein. Stanley hat mich heute Morgen gegen fünf Uhr nach Hause gebracht. Seitdem habe ich ihn noch nicht wieder gesehen.«
»Hat John Ihnen gedroht, Sie zu besuchen?«
»Nein, davon sprach er nicht. Aber er besitzt meinen zweiten Schlüssel. Das wäre ihm also jederzeit möglich. Daran habe ich nicht gedacht.«
»Von wo rufen Sie an?«
»Ich sitze in meinem Apartment.«
»Dann schlüpfen Sie bei irgendeinem Ihrer Nachbarn unter. Ich mache mich jetzt sofort auf den Weg, Miss Edwards. In einer halben Stunde sind wir da. Haben Sie verstanden?«
Ich hörte ihre Atemzüge plötzlich so weit entfernt. Sie schien den Hörer aus der Hand gelegt zu haben. Dann nahm sie ihn wieder auf und piepste aufgeregt: »Moment, Mister Cotton, ich höre Geräusche an der Tür. Es war, als hätte jemand geklopft. Ich gehe hin und sehe nach.«
»Hallo, Miss Edwards!«, schrie ich in den Hörer. Aber sie hörte meine Stimme nicht mehr. Offenbar lag ihr Hörer auf dem Sideboard.
Dann wurde ich Ohrenzeuge einer abscheulichen Szene. Der Hörer in Judiths Apartment lag so, dass ich jedes Wort verstehen konnte. Ich griff hinter meinen Kragen und riss ihn auf. Die Luft blieb mir weg.
Eine Männerstimme keuchte: »Mit wem hast du über mich gesprochen, kleine Katze?«
»John, was machst du?«, kreischte Judith in ihrer Verzweiflung. »John, ich bitte dich.«
Ihr Schrei ging in ein Röcheln über. Möbelstücke polterten zu Boden.
»Bestie und Verräterin«, keuchte der Mann. Dann näherten sich Schritte dem Telefon.
Der Mann legte den Hörer auf die Gabel. Die Verbindung war unterbrochen.
»Was ist mit Ihnen, Mister Cotton?«, fragte der Pförtner besorgt. Er starrte mich an.
Ich war in diesem Augenblick weiß wie eine Kalkwand. Meine Hände zitterten.
Der Pförtner nahm mir den Hörer behutsam aus der Hand.
Ich riss den Hörer von der Gabel und wählte unsere Zentrale.
»Sofort Alarm geben für das Revier in Brooklyn Juniper Valley Park. In der vierten Querstraße Nr. 54 sechster Stock wurde soeben Miss Judith Edwards überfallen.«
Die Telefonistin wiederholte meinen Auftrag.
Ich wankte hinaus. Phil kam mir auf dem Flur entgegen. Er stockte, als er mich sah. Ich fuhr mit der Hand über meine Augen und murmelte: »Der Gangster hat Miss Edwards überfallen.«
»Welcher Gangster?«
»John White.«
***
In der kurzen Querstraße am Juniper Valley Park wimmelte es von Polizei-Fahrzeugen.
Ich schoss mit meinem Jaguar in die Straße hinein und setzte ihn auf den Bürgersteig vor das Haus Nr. 54.
Im Eingang stand ein baumlanger Cop, der unsere Ausweise verlangte.
Dann ließ er uns passieren.
Vier Cops standen im Hausflur. Der Lift war blockiert. Uns blieb nichts anderes übrig, als die Treppen hinaufzugehen. Vor jeder Wohnungstür stand ein Cop.
Ich wunderte mich, wo das zuständige Revier in den wenigen Minuten die Leute aufgetrieben hatte.
Vor Judiths Tür stand ein Sergeant. Er hatte seine Hand auf dem Colt liegen, der im Gürtel steckte.
»Hallo Sergeant«, sagte ich. »Habt ihr den Burschen?«
Der Mann blickte an mir vorbei, ohne einen Ton zu sagen.
Sekunden später stürzte ein Lieutenant aus dem Apartment.
Ich steljte mich ihm in den Weg und hielt ihm meinen Ausweis unter die Nase.
»Hallo Lieutenant. Ich habe den Alarm gegeben. Was ist mit Miss Edwards?«, frage ich leise. Phil stand hinter mir.
»Sie muss sofort tot gewesen sein«, murmelte er geistesabwesend. »Aber wir haben den Mörder.«
Ich riss die Augen auf, hielt die Luft an, drehte mich auf dem Absatz um und spurtete an dem Sergeant vorbei in die Wohnung.
Auf einem Stuhl in der Küche saß Dr. Remage. Seine Hände steckten in Handschellen.
»Hallo, Mister Cotton!«, schrie er, als er nur den Zipfel meiner Jacke entdeckte. »Es ist etwas Fürchterliches passiert. Judith wurde ermordet Und mich hat man verhaftet!«
Judith Edwards lag in einer Blutlache. Sie hatte Arme und Beine weit von sich gestreckt.
Der Mörder hatte sie mit einem Messer getötet.
Lieutenant Gerber von der Mordkommission kam auf mich zu. Ich stellte Phil und mich vor.
»Kein Wunder bei dem Lebenswandel«, sagte er mit einem Blick auf die Leiche, »aber wir
Weitere Kostenlose Bücher