0282a - Der Mörder und sein blonder Schwarm
habe.«
»Zählte Miss Edwards zu Ihren Opiumkunden?«, fragte Phil. »Beispielsweise gestern Abend im Eve haben Sie ihr eine Tablette in die Hand gedrückt.«
Remage sah überrascht auf. Dann nickte er zustimmend. »Ja, es war eine Opiumtablette.«
»Judith war Ihnen aus Ihrer Praxis bekannt?«, fragte ich.
»Ja. Sie kam als Patientin vor zwei Jahren zu mir.«
Dann erzählte Dr. Remage die Story seines und Judiths Leben. Bis zu dem Zeitpunkt, wo John White angeblich erschossen wurde.
Ich brachte das Gespräch wieder in die alten Bahnen. »Überlegen Sie genau! Was taten Sie, als Sie Judith auf dem Boden vor sich liegen sahen?«
»Ich beugte mich über sie und drehte sie auf die Seite. Da sah ich die grässliche Verletzung«, schilderte er stockend.
»Und Judith war bereits tot?«
»Ja, sie atmete nicht mehr. Auch das Herz schlug nicht mehr. Ich legte mein Ohr auf ihre Brust. Der Blutstrom war nicht zu stoppen.«
»Sie sind Arzt, Remage. Wann schätzen Sie, muss der Tod eingetreten sein?«
»Bei dieser Verletzung ist man sofort tot«, sagte er leise.
»Und wann hat der Mörder seine grausame Tat ausgeführt?«
»Es muss wenige Minuten vorher gewesen sein«, gab er zu.
»Es sieht nicht sehr rosig für Sie aus«, bemerkte Phil.
»Ich weiß.«
»Oder waren Sie nicht doch selbst der Mörder?«, fragte ich in die eintretende Stille. Ich betrachtete sein Gesicht recht genau. War er in der Lage, sich in den Einäugigen zu verwandeln, in John White, der im Krieg ein Auge verlor und seitdem stets auf dem rechten Auge eine Klappe trug?
»Sie haben eine Leibesvisitation durchgeführt?«, fragte ich Lieutenant Grandei. »Haben Sie eine schwarze Augenklappe gefunden?«
Der Lieutenant schaute mich wegen meiner unmotivierten Frage verständnislos an.
»Doktor Remage trug keine Waffe bei sich, nur eine Schachtel mit Tabletten. Die haben wir sichergestellt«, erklärte der Lieutenant.
»Haben Sie außerdem eine Hausdurchsuchung gemacht?«, fragte ich weiter.
»Meine Leute sind noch nicht fertig«, sagte der Lieutenant.
Er verließ die Küche und ging in den Salon. Erst in diesem Augenblick kam der Arzt, der von der Mordkommission alarmiert worden war. Ich sah ihn für wenige Sekunden im Korridor. Er hatte die Figur eines Schwergewichtsboxers und keuchte wie eine Dampflok in den Rocky Mountains, weil er die Treppen bis zum sechsten Stockwerk zu Fuß bewältigt hatte. Lieutenant Gerber, der Leiter der Mordkommission führte den Doc an die Leiche.
Ich stand auf und gab einer plötzlichen Eingebung nach. Auf dem Korridor stand ein Sergeant. Ich bat ihn, zum Hausmeister hinunterzugehen. Er sollte den Inhalt der Mülltonne ausbreiten und sie nach einer Klinge oder einem Messer durchsuchen.
Bevor ich mich setzte, zog ich die Schranktür auf, hinter der sich der Müllschlucker befand. Ich zündete ein Streichholz an und leuchtete in den Schacht hinein.
Was ich entdeckte, beunruhigte mich stark.
***
Ich setzte mich wieder auf meinen Stuhl.
»Sie wissen genau, dass auf einer Mordwaffe Fingerabdrücke sind, Remage. Bleiben Sie immer noch bei der Version, dass der Mord bereits geschehen war, als Sie diese Wohnung betraten?«, setzte ich das Verhör fort.
»Ja, Mister Cotton.«
»Aber es sieht nicht günstig für Sie aus«, fügte ich hinzu.
»Das sehe ich selbst«, sagte er leise. »Aber ich kann nur meine Unschuld beteuern.«
»Alle Indizien sprechen gegen Sie, Remage«, schaltete sich Phil wieder ein.
»Ja, ich weiß es«, sagte der Doc gefasst.
»Und Sie bleiben trotzdem bei Ihren Aussagen - trotz des Belastungsmaterials?«, fragte ich leise.
»Ich sage Ihnen die Wahrheit.«
»Sind Sie bereit, sich auch dem Lügendetektor zu stellen?«, fragte Phil.
»Well, auch dazu bin ich bereit«, antwortete Remage.
Ich schätzte Dr. Remage richtig ein. Er hoffte auf die Frau mit dem lila Kopftuch.
Lieutenant Grandei kam aus dem Wohnzimmer zurück.
»Nichts, gar nichts gefunden«, sagte er kommentarlos.
»So, dann nehmen Sie das Schlafzimmer unter die Lupe und das Badezimmer«, sagte ich.
Der Lieutenant stiefelte wieder hinaus. Ich betrachtete Remage. Seine Haut war schmutziggrau. Ich gab ihm bei dem Lebenswandel noch zehn Jahre. Dann würde er in irgendeinem Heim landen.
»Ich will Ihnen sagen, wann sich der Mord genau abspielte«, begann ich wieder. »Es war elf Uhr zweiunddreißig, Remage.«
Der Mann starrte vor sich hin. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht. Ich zückte meine Zigaretten, bot Phil und dem
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