0283 - Kampf um den Macht-Kristall
übergossen sei. Er konnte nicht wissen, daß die Stiche, die Paris ihm zufügte, auf seinem Körper ein seltsames verschlungenes Muster bildeten.
In einem Kreis befanden sich Windungen, Schleifen, Winkel und angedeutete Symbole. Jede kleine Berührung mit dem Dolch vollendete das Werk.
Irritiert bemerkte Michael Ullich, daß die Silberscheibe an der Kette um den Hals des Paris zu pulsieren begann. Nicht in der Form, wie bei Professor Zamorra, den das Amulett auf diese Art gegen das Wirken der Schwarzen Familie schützte. Es glich dem Brodeln eines ausbrechenden Vulkans.
Das Amulett reagierte wie ein Wachhund, der einen Dieb gestellt hat und durch Bellen ihn in die Flucht treiben will.
Denn das Symbol, was sich auf Michael Ullichs Brust abzeichnete, rief jene Kraft herbei, gegen die sich das Amulett gerade wappnete.
Paris hatte auf den Körper des Opfers mit der Dolchspitze ein Dämonensiegel geritzt.
Das Siegel des Azagh-Thot!
Unter der Decke des Tempel entstand allmählich grauschwarzer Rauch. Je weiter das Dämonensiegel der Vollendung entgegen ging, um so mehr verdichtete sich die düstere Wolke.
Michael Ullich spürte die Ausstrahlung des Gebildes. Es war Böse. Abgrundtief böse. Und bereit, sich herabzustürzen. Verzweifelt zerrte der Junge an seinen Ketten. Es waren nicht die Schmerzen und die Angst vor dem grausamen Tod, die ihn durchzuckten. Die Gewißheit, daß jenes grauenhafte Wesen aus der Welt des Unheimlichen gekommen war, um ihn in sich aufzunehmen, ließ ihn noch einmal, alle seine Kräfte anspannen.
Der schlanke Körper zuckte auf dem Altar. Ketten klirrten. Paris wich erschrocken einige Schritte zurück, als er den Verzweiflungsausbruch des bis dahin ruhigen Opfers bemerkte.
Doch die Ketten hielten. Ein Stöhnen kam aus Michaels Kehle als Paris, wieder mutig geworden, herantrat, um sein unheiliges Werk zu vollenden.
»Azagh-Thot! Azagh-Thot!« heulte die Menge. »Vaih Azagh-Thot!«
»Das Opfer liegt bereit, Herr der Dämonenwelt!« flüsterte Paris. »Es ist ein starkes Leben, das dich kräftigen wird. Nimm es in dich auf und sende Tod und Verderben über unsere Feinde!«
»Dein Dämon kommt aber nicht!« stöhnte Michael Ullich. »Er kommt nur, wenn du mir die Silberscheibe auf die Brust legst, die du um den Hals trägst!«
»Der hohe Herr Azagh-Thot will nur Leben. An Gold und Silber liegt ihm nichts!« erklärte Paris. Dann spürte Michael Ullich einen scharfen Schmerz, als Paris mit der Dolchspitze quer über seine Brust fuhr.
Das Dämonensiegel war vollendet.
Die unförmige, grauschwarze Wolke senkte sich langsam, aber stetig herab. In ihr pulsierte eine Lebensform, wie sie der menschliche Verstand sich nicht vorstellen kann.
Michael Ullich wußte, daß er verloren war. Auf den Trick mit dem Amulett war Paris nicht hereingefallen.
Das Wesen in der Wolke würde aus den Wunden seine Seele hinaussaugen und mit sich führen. Professor Zamorra kam zu spät…
»Azagh-Thot! Vaih Azagh-Thot!« jubelte die Menge.
Und die Wolke kam näher wie das unbeugsame Schicksal…
***
»Wohin führt euch euer Weg?« rief der Mann in der weißen Kleidung des Priesters, als er den Trupp Soldaten auf das mächtige Portal des Athene-Tempels zustreben sah.
Breitbeinig baute sich Professor Zamorra vor ihm auf.
»Haben Sie gedient?« knurrte er mit der Freundlichkeit eines Hauptfeldwebels um sich gleich darauf zu verbessern: »Seid Ihr ein Krieger gewesen?«
»Ich war es — bis zu dem Tag, als ich dem Achilles gegenüber stand. Ich schwor, mein Leben der Göttin zu weihen, wenn ich diesen Moment überleben sollte!«
»Wie man sieht, hast du ihn überlebt!« knurrte Demetrios mit verächtlichem Unterton. Denn im Gegensatz zu den hageren Kriegern sah der Priester sehr wohlgenährt aus. Mochte sich auch in Troja der Hunger breit machen - für die Priester gab es stets genug.
»Ja, Athene war so gnädig, einen Krieger in die Gegend zu senden, der eine sehr prächtige Rüstung hatte!« erklärte der Priester. »Da hat Achilles diesen verfolgt und erschlagen, um sich die Rüstung anzueignen. Ich aber war gerettet!«
»Wenn du mal Krieger gewesen bist, dann wirst du jetzt wieder handeln, wie es sich für einen Krieger geziemt!« unterbrach ihn Zamorra scharf. »Dem König kam zu Ohren…Lassen wir das. Du wirst uns jetzt in das Allerheiligste führen und…!«
»Herr! Kyron, der Oberpriester und die anderen Priester beten dort gerade um den Sieg. Wir dürfen sie auf keinen Fall stören, sonst
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