0283 - Xorrons Totenheer
geworden war.
Und so hatte es Shao erwischt.
Ausgerechnet sie. Das mußte einen Grund haben. Vielleicht den, weil sie das schwächste Glied in der Kette war. Zusammen mit Sheila Conolly oder Johnny?
Nein, irgendwie wollte ich das nicht glauben. Immer wieder schob sich eine grausame Gestalt vor meine Augen.
Shimada!
Dieser Dämon war wie ein Blitz aufgetaucht und hatte in das Geschehen eingegriffen. Damit konnte einfach niemand von uns rechnen. Eine bisher unbekannte Größe hatte sich heraus kristallisiert und bereitete uns großen Ärger.
Ging Shaos Tod auf sein Konto?
Einen Grund hatte er. Schließlich war die Chinesin eine Nachfolgerin der Sonnengöttin Amaterasu und damit auch eine Feindin des Ninja-Dämons Shimada.
Ich bekam Angst, wenn ich naher darüber nachdachte. Himmel, in welch einen Kreislauf war ich da nur hineingeraten?
Ich schaute wieder auf Suko Jetzt kniete er, den Rücken hatte er durchgedrückt, sein Kopf war gesenkt. Er blickte auf seine tote Freundin, die Schultern bewegten sich, ein Zeichen, daß er weinte, und seine Hände hatte er gegen die bleichen Wangen der Toten gepreßt.
Suko, der harte Kämpfer, der Mann, der keiner Gefahr aus dem Wege ging, trauerte um seine geliebte Shao.
Auch in meiner Kehle hatte sich ein dicker Kloß ausgebreitet. Mir war ebenfalls nach Heulen zumute, aber ich riß mich zusammen, denn ich durfte auf keinen Fall den Überblick oder die Nerven verlieren.
Eine seltsame Stille umgab uns. Selbst die Zuschauer unterhielten sich nicht mehr. Sie schauten auf Suko und nahmen Anteil an der Trauer meines Freundes.
Griffith, der Fahrer, stand wie ein Denkmal. Er zuckte nicht, er atmete kaum, seine Gesichtszüge hatten sich verändert und waren gleichzeitig erstarrt.
Dann stand Suko auf.
Wie er das tat, glich einem Ritual. Er zuckte, als schien er aus einem Traum zu erwachen, drückte seine Hände gegen den Boden und richtete sich auf.
Er drehte sich noch nicht um. Etwa fünf Sekunden lang blieb er neben Shao stehen und schaute auf die Tote. Wie mußte es in seinem Innern aussehen? Zu vergleichen mit einem Vulkan von Gefühlen, der in meinem Freund tobte und Lavaströme aus Angst, Verzweiflung und Depression in ihm hochdrückte.
Es begann mit einem Zucken seiner Schultern. Erst jetzt schien er die anderen wahrzunehmen. Und er sah mich, als er sich nach links wandte.
Ich hob die Hand.
Suko nickte nicht einmal, er bewegte auch seine Augen nicht. Mein Freund gab überhaupt kein Zeichen, daß er mich gesehen oder verstanden hatte.
Er schaute an mir vorbei. Sein Blick war auf ein neues Ziel fixiert, ein Ziel, das schräg neben und hinter mir stand.
Abe Griffith, der Fahrer!
Auch der schien zu ahnen, was in dem Chinesen vorging, denn ich hörte sein angstvolles Flüstern. »Mein Gott, der ist ja…«
Was er war, bewies Suko in den nächsten Sekunden, denn er schritt auf Griffith zu.
Schnell, zügig, und in seinem Gesicht las ich ab, was er vorhatte. Er gab dem Fahrer die Schuld, und er wollte ihn dafür zur Rechenschaft ziehen.
Etwas anderes konnte ich mir nicht vorstellen.
Aber das war Irrsinn!
»Suko, nicht! Um Himmels willen…« Zum ersten Mal sprach ich den Inspektor an.
Suko war in diesen Augenblicken kein Mensch mehr, sondern eine Maschine. Ihn konnte keiner aufhalten, auch sein bester Freund nicht. Und er beschleunigte seine Schritte, wurde noch schneller. Ich kam überhaupt nicht dazu einzugreifen, denn Suko erreichte den Mann, der eine Hand zur Abwehr hob, die durch Sukos Schlag wie eine lästige Fliege zur Seite gewischt wurde.
Dann packte er ihn.
»Du!« knurrte er tief aus der Kehle. »Du hast sie getötet. Du hast sie mir genommen. Sie war das…«
Ich konnte es nicht mehr mit ansehen. Suko würde durchdrehen. Er hatte einen Punkt erreicht, den auch ich an mir kannte, denn ich brauchte nur daran zu denken, wie es mir ergangen war, als ich vor der toten Nadine Berger gestanden hatte.
Jetzt mußte ein Freund eingreifen.
Und das war ich.
Nur einen Arm hatte Suko erhoben. Mit der Hand des anderen hielt er seinen Gegner fest.
Er wollte zuschlagen.
Da war ich bei ihm.
Von der Seite her schlug ich zu. Meine Hand bekam seinen Arm zu packen. Es war ein wuchtiger Hieb, der meinen Freund traf, ihn um die eigene Achse drehte, so daß er Griffith loslassen mußte und selbst gegen die Breitseite der Kühlerhaube gestoßen wurde.
Suko schüttelte sich. Ich sah in seine Augen. Noch nie hatte ich bei ihm diesen Blick erlebt. Suko war ungemein
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