0286 - Briefe aus der Hölle
war er eingeschlafen.
Unruhe erfaßte den Reporter. Als normal konnte man so etwas nicht bezeichnen, und Bill Conolly, gewissermaßen ein gebranntes Kind, was Dämonen und ähnliche Wesen anging, wollte sich selbst überzeugen, weshalb Sheila nicht im Bett lag.
Er hoffte nur, daß sie sich im Haus aufhielt und nicht fortgefahren war.
Bill schwang die Beine nach draußen, reckte seinen Oberkörper und schlüpfte in die Pantoffeln. Ohne Licht zu machen, steuerte er auf direktem Weg die Schlafzimmertür an.
Sie war geschlossen. Er öffnete sie und schaute in den Gang. Ruhig lag er vor ihm. Von Sheila sah und hörte er nichts. Das Haus schien von ihr verlassen zu sein.
Bill Conolly hatte wirklich die Befürchtung, daß Sheila nicht mehr da sein konnte, und er dachte auch sofort an seinen kleinen Sohn Johnny.
Vielleicht hatte sie ihn mitgenommen.
Daß es für Sheila nicht den geringsten Grund gab, einfach zu verschwinden, daran dachte Bill Conolly in diesen Augenblicken nicht. Er reagierte nur noch gefühlsmäßig und blieb vor der Tür des Kinderzimmers für einen Moment stehen.
Sie stand nicht offen, Bill drückte die Klinke, stieß die Tür spaltbreit auf und schaute in das Zimmer.
Zuerst sah er zwei Augen!
Sie gehörten der Mensch/Wölfin Nadine Berger. Sie hockte vor dem Bett des kleinen Johnny und wachte über seinen Schlaf.
Der Junge lag auf dem Rücken. Die Arme hatte er ausgestreckt, sein Atmen klang ruhig. Nichts war geschehen, was zu einer Beunruhigung hätte Anlaß geben können.
Blieb noch Sheila.
Bill ließ die Tür ein wenig offen, drehte sich um und wanderte den Gang hinunter. So konnte er den Wohnraum erreichen.
Draußen stürmte es. Die ersten Herbstwinde jagten über London hinweg und zerrten an den Blättern der Bäume, wobei sie einige von ihnen schon abrissen.
Das Wohnzimmer war nicht nur dunkel, sondern auch leer. Von Sheila keine Spur. Bill sah nur die Umrisse der Möbel und die großen Fenster.
Hier war sie also auch nicht.
Wo dann?
Bill überlegte hin und her. Er wollte auch nach draußen gehen, bis ihm einfiel, daß es ja noch andere Zimmer im Haus gab, wo Sheila stecken konnte.
So suchte er weiter, ging wieder zurück, schaute in ein leeres Bad, in eine ebenso leere Dusche und dachte an die Gäste- und auch an die beiden Arbeitszimmer.
Sheila besaß eines und Bill ebenfalls.
Das Zimmer seiner Frau lag in einem kleinen Anbau. Um die Tür zu erreichen, mußte Bill in eine Nische gehen. Da sie in die Wand hineingebaut war, hatte Bill den Lichtschein nicht sofort sehen können, der unter der Türritze herdrang.
Ein gelber Streifen, der eine Fingerbreite später schon auf dem Teppich versickerte.
Bill lächelte. Obwohl er sich noch nicht davon überzeugt hatte, war er sicher, seine Frau in dem Zimmer zu finden. Er klopfte nicht an, sondern öffnete die Tür.
Sheila drehte ihm den Rücken zu. Sie saß an ihrem Sekretär, den sie auf einer Auktion ersteigert hatte. An diesem alten Möbelstück erledigte sie die anfallenden schriftlichen Arbeiten, und auch jetzt schien sie etwas zu schreiben, denn ihre Haltung deutete darauf hin.
Sie rührte sich nicht, als die Tür geöffnet wurde und Bill das Zimmer betrat. Sheila arbeitete weiter, während ihr Mann den Kopf schüttelte, denn er konnte sich die Arbeitswut seiner Frau einfach nicht erklären. Auf Zehenspitzen näherte er sich ihr, gelangte hinter den Stuhl und stellte fest, daß Sheila noch immer nichts merkte.
Sie schrieb.
Und sie schien in Trance versunken zu sein. Der Füllfederhalter glitt wie von anderen Händen gelenkt über das Papier, denn Sheila setzte kaum ab.
Bill mußte sich schon vorbeugen, um über die Schulter seiner Frau schauen zu können. Schließlich wollte er sehen, was Sheila schrieb. Bei dieser Bewegung berührte er sie, und Sheila zuckte zusammen.
Bill drückte sich wieder zurück, trat einen halben Schritt nach rechts und blieb seitlich neben seiner Frau stehen. »Schreibst du Liebesbriefe?« fragte er leise.
Sheila gab keine Antwort. Sie drehte nur den Kopf und schaute zu ihrem Mann hoch.
»Oder einen Abschiedsbrief?« Bill wollte darüber lächeln, aber es gelang ihm nicht. Auf irgendeine Art und Weise empfand er die Situation als zu unwirklich.
Sheila trug bereits ihr Bettzeug. Ein Nachthemd, das weit geschnitten war und bei dem der Stoff bläulich schimmerte. Darüber hatte sie einen dünnen Morgenmantel geworfen.
»Keines von beiden.«
Bill nickte. Er deutete auf die vollgeschriebenen
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