0286 - Briefe aus der Hölle
und wurde auf der Schreibtischplatte verlängert.
»Ich bin da, Henry!« sagte der Satan. Er sprach mit einer seltsam zischenden Stimme, und diesmal drang nicht nur der Qualm aus seinen Nasenlöchern, sondern auch aus dem Maul.
Der Schreiber blieb ruhig sitzen. Wenigstens so lange, bis der Teufel seine Klauen zurücknahm. Dann drehte der andere sich gemächlich um, wobei er auch die Beine herumschwang, damit er seinen Nacken nicht verdrehte.
Henry legte den Kopf zurück.
Er und der Teufel starrten sich an.
Der Satan grinste. Es war in der Tat ein diabolisches Grinsen, wie man es eben von ihm erwartete. »Du weißt, wer ich bin, mein lieber Henry?« fragte er mit falscher Freundlichkeit.
»Der Teufel!«
Satan lachte, und aus seinem Mund drang eine giftgrüne Schwefelwolke, vermischt mit Schleim. »Herrlich geraten, mein Bester. Fantastisch, kann ich nur sagen. Wirklich excellent.«
Der Schreiber saß stumm da und schaute den Satan nur an. Er fürchtete sich nicht, besaß keine Angst, und in seine kühl blickenden Augen trat kein Funken Gefühl. Der Mann hatte ein zerfurchtes Gesicht. Die Unterlippe war ein wenig vorgeschoben. Seine Nase zeigte einige rote Flecken, die Haut wirkte trotz der Bräune alt und lappig.
»Du hast geschrieben, nicht wahr?«
»Ja.«
»Und sogar sehr schön!« kicherte der Teufel. »Weißt du eigentlich, daß es nicht deine Handschrift ist?«
Henry nickte.
»Wie kommt es wohl, daß du dennoch so glatt und sicher die Buchstaben auf das Papier bringen kannst, wobei du doch ansonsten keine Geistesleuchte bist.«
»Jemand hat mir geholfen und mich geführt.«
Da schüttelte der Satan den Kopf, und die Schwefelwolke breitete sich noch stärker aus. »Nicht nur einer hat dir geholfen. Es waren zwei. Einmal er und einmal ich. Mich kennst du jetzt. Aber weißt du, mein Freund, wer er war?«
»Ich glaube mich zu erinnern.«
»Dann sag es, schnell.«
»Gideon Torry!«
»Ja«, schrie der Satan und rieb sich seine Klauenhände. »Du hast recht, er war es tatsächlich. Gideon Torry, der Henker, der Massenmörder. Und du bist Henry Torry, einer seiner vielen Nachkommen, die er aus dem Jenseits und mit meiner Hilfe beglückt…« Der Teufel brach in ein rasendes rauhes Gelächter aus, das durch den Raum hallte. So heftig, wie es aufgeflammt war, so schnell brach es auch wieder zusammen. »Und jetzt lies mir vor, was Gideon diktiert hat.«
Henry Torry nickte, drehte sich wieder um und begann mit leiser Stimme zu lesen.
Es war ein langer Brief, und er enthielt nur Grausamkeiten und finstere Drohungen, die der längst verstorbene Henker ausstieß. »Doch der Teufel hat mir geholfen«, sagte Henry zum Schluß. »Er leitete alles in die Wege. Ich bin noch da, die Menschen werden es merken…«
»Gut hast du das gemacht«, lobte Asmodis seinen Schüler. »Sogar vorzüglich. Ich gratuliere.«
»Das war nicht ich.«
»Klar, ich weiß, mein Bester. Aber Gideon steckt in dir, wie du gemerkt hast. Er hat wieder Kontakt mit der Erde. Mit den Lebenden. Ich habe ihm Hilfe gegeben, und er will weitermachen. Sein Geist in deinem Körper oder auch beschützend über dir schwebend. Du, Henry Torry, wirst seinen Namen in Ehre halten, und du mußt es mir und ihm gleich beweisen.«
Henry nickte. »Was soll ich tun?«
Der Satan winkte ab und drehte seinem Günstling gleichzeitig den Rücken zu. »Es ist nicht viel«, erklärte er. »Eine Kleinigkeit. Lappalie sagt man bei euch…«
»Sag es!«
»Ich zeige es dir!« rief Asmodis, machte so heftig kehrt, daß sein Umhang flog. Unter ihm zog er etwas hervor, daß er triumphierend in der Hand hielt.
Es war das, was Gideon Torry in seinem Leben so ausgezeichnet hatte.
Eine Schlinge!
Sorgfältig geknüpft, mit einem Zugknoten versehen, damit sie um jeden Hals paßte.
Der Satan hielt sie in der Hand, hob seinen Arm etwas in die Höhe, so daß er genau durch die Schlinge schauen konnte, wobei sich sein häßliches Gesicht zu einem noch häßlicheren Grinsen verzog.
Ein wenig bewegte er die Hand. Gerade so viel, damit die Schlinge pendeln konnte. »Siehst du sie?« flüsterte er dabei. »Siehst du dieses kleine Stück der Erinnerung an deinen Ahnherren?«
»Ja, mein Gebieter!« Henrys Augen begannen zu glänzen. Sein Körper streckte sich. Er reckte die Arme, um nach der Schlinge zu greifen, doch der Teufel zog sie ihm weg.
»Noch nicht!« sagte er. »Warte eine kleine Weile. Ich werde dir erst sagen, wen du umbringen sollst.«
Henry nickte.
Der Satan
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