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0287 - Herrscher über tausend Geister

0287 - Herrscher über tausend Geister

Titel: 0287 - Herrscher über tausend Geister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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stehen.
    Er erstarrte.
    Da standen Pferde. Vier Stück. Sie waren am Geländer des Querstraßen-Gehsteigs angebunden. Hochbeinige, große Pferde, weit größer als die Ponys der Mongolenkrieger und des Temudschin. Auf ihren Rücken trugen sie seltsame, große Sättel mit Hörnern, an denen zusammengerollte Seile hingen. Hinter den Sätteln zusammengerollte Decken und Packtaschen.
    Wo Pferde sind, sind auch Menschen.
    Wang Lee Chan straffte sich. Er preßte sich mit dem Rücken gegen die Hauswand. Wie sollte er vorgehen? Daß sich vier Menschen in dieser verlassenen, toten Stadt aufhielten, hatte mit Sicherheit nichts Gutes zu bedeuten.
    Es war anzunehmen, daß sie sich in dem Haus aufhielten, vor dem die Pferde angebunden waren. Vorsichtig glitt Wang Lee näher. Er hatte das Haus noch nicht erreicht, als er ein metallisches, lautes Knacken hörte.
    Er wirbelte herum und starrte in ein langes Rohr. Ein Mann in bizarrer Kleidung stand im Schatten eines gegenüberliegenden Hauses.
    »Versuch mal ein bißchen, die Wolken vom Himmel zu kratzen, Junge. Was macht ein gottverdammter Chink in dieser gottverdammten Geisterstadt?« fragte der Mann mit dem langen Rohr in der Hand. Seine Stimme klang böse.
    Wang Lee stand da, rührte sich nicht. Er wunderte sich, wieso er den Mann verstehen konnte. Es war, als höre er ihn doppelt. Einmal in jener fremden, unangenehmen Sprache, und dann gleichzeitig in Wangs eigener Mundart.
    »Die Flossen hoch, wird’s bald!« schnarrte der Mann, senkte das Rohr ein wenig und bewegte einen Finger.
    Ein ohrenbetäubender Knall ertönte. Aus dem Rohr zuckte ein Blitz. Im gleichen Moment spritzte direkt vor Wang Lee der Sand hoch. Unwillkürlich machte Wang Lee einen Sprung zurück, knallte gegen die Hauswand und duckte sich.
    Das Feuerrohr zeigte jetzt direkt auf seine Stirn.
    ***
    Der Römer zog das Kurzschwert und stülpte sich mit der gleichen Bewegung den Helm über. Zamorra streckte den Arm nach ihm aus, aber Tanista stieß ihn zurück.
    »Ganz ruhig bleiben«, rief Zamorra. »Das ist ein Scheinangriff! Die Leute sind harmlos…«
    Aber der Centurio hörte nicht auf ihn. Er stürmte den Reitern entgegen, die jetzt auseinanderfächerten, um die drei Menschen einzukreisen.
    Der Lanzenträger senkte die federgeschmückte Waffe und schlug damit nach Tanista. Der Römer wehrte den Hieb mit dem Schwert ab, aber irgendwie schaffte es der Indianer, die Lanze in der lockeren Hand zu schwenken, und das andere Ende traf den Römer. Lautlos stürzte er zu Boden.
    Die anderen vier Indianer preschten jetzt von allen Seiten auf Zamorra und Nicole zu. »Sie wollen uns niederreiten!« schrie Nicole auf und drehte sich um die eigene Achse, aber es gab offenbar keine Möglichkeit, zu entkommen.
    »Dann würden sie prächtig zusammenprallen«, stellte Zamorra trocken fest. »Bleib stehen, verdammt. Ich halte das Ganze für eine Mutprobe.«
    »Gehört dazu, daß der Römer niedergeschlagen wurde?«
    »Immerhin hat er angegriffen«, sagte Zamorra.
    Die vier Reiter stoppten ihre Pferde direkt vor den beiden Menschen.
    Finster sahen sie sie an. An den Stirnbändern waren Federn befestigt, die allesamt schräg nach hinten abwärts zeigten. Zamorra preßte die Lippen zusammen. So wie er die indianischen Bräuche zu kennen glaubte, bedeutete diese Federneigung, daß der betreffende Krieger mindestens einen Menschen getötet hatte. Aber das war in diesem Fall wahrscheinlich nur ein äußeres Zeichen, daß die alten Traditionen aufrecht erhalten wurden…
    Oder… ?
    Er sah zu dem Römer hinüber. Der Lanzenreiter glitt blitzschnell vom Pferd, packte den Centurio wie ein Fliegengewicht und warf ihn sich bäuchlings über den Pferderücken, um im nächsten Moment selbst wieder aufzusteigen. Langsam kam er heran, mit einer Hand den Römer festhaltend, daß der nicht abrutschte.
    »Was ist das für Zauberwerk?« fragte einer der Indianer und deutete auf das ausglühende Autowrack.
    Zamorra lächelte.
    »Sieht nach einem ausgebrannten Mercedes aus, nicht wahr?« erwiderte Zamorra. »Ist Ihr Dorf sehr weit von hier entfernt? Wir müßten dringend ein paar Telefongespräche führen…«
    »Du redest im Wahn, weißer Mann. Was sind das für Dinge, von denen du sprichst?«
    Zamorra und Nicole sahen sich bestürzt an. Dann winkelte Zamorra leicht seine Arme an. »Ich glaube, Sie haben das Spiel jetzt weit genug getrieben, Mister. Wir brauchen Hilfe. Der Spaß hört allmählich auf.«
    »Ja, weißer Mann. Der Spaß hört auf.

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