0287 - Herrscher über tausend Geister
Kette aus Vogelschädeln behängt, trug einen mit bizarren Symbolen bestickten Lendenschurz und hatte sich mit dunklen Farben bemalt. Er reckte einen Stab gegen Zamorra.
»Was hast du mit diesem Krieger gemacht?« schrie er. »Du hast ihn verzaubert!«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Ich bin kein Zauberer«, sagte er. »Dieser Krieger stahl mir etwas, das mir gehört, und bekam seine Strafe dafür. Niemand nimmt mir ungestraft mein Eigentum.«
»Schau meine Hand!« zischte der Dieb.
»Ich schaue«, sagte Zamorra ruhig. Er begann zu pokern und blieb äußerlich völlig ruhig. Er fragte sich, wie weit er bei den Comanchen gehen durfte, und wollte das Spiel bis zum letzten ausreizen.
»Deine Silberscheibe hat die Hand verzaubert! Du wirst sie zurückzaubern.«
»Das kann ich nicht, weil ich kein Zauberer bin.«
»Dann töte ich dich«, sagte der Medizinmann.
Zamorra lächelte. »Es wird nichts ändern«, sagte er. »Die Hand wird weiter leuchten. Das Leuchten wird sich ausweiten über den ganzen Arm, dann über den ganzen Körper dieses Kriegers. Ihr werdet nachts keine Fackel mehr brauchen. Nehmt ihn, und sein Licht wird euch stets den Weg weisen und ihn als Dieb verraten!«
»Räudiger Hund!« keuchte der Leuchtende und griff zum Dolch. Nicole, die das Gespräch mit Tanista beendet hatte und aufmerksam verfolgte, was Zamorra mit den Rothäuten aushandeln wollte, schrie entsetzt auf.
Zamorra blieb ruhig liegen.
Nur eine Handbreit über seiner Brust schwebte das Messer. »Mach es rückgängig«, sagte der Comanche wütend und verzweifelt.
»Die Silberscheibe will zu ihrem rechtmäßigen Besitzer zurück«, sagte Zamorra. »Du wirst sie zu mir bringen. Dann erlischt der Zauber von selbst.«
»Ich fasse sie nicht an! Sie leuchtet und lodert!«
»Du faßtest sie an, als du sie mir stahlst. Du wirst sie auch jetzt berühren können. Das Feuer ist kalt, es wird nicht schmerzen.«
Der Comanche spie ihm ins Gesicht.
»Du bist eine weiße Ratte«, zischte er. »Kein Comanche gibt jemals etwas zurück!«
»Kein Comanche leuchtet«, sagte Zamorra.
»Tu, was der Weiße sagt«, riet der Medizinmann leise. »Ich sehe etwas in seinem Geist. Er ist kein gewöhnlicher Weißer. Ich sehe mehr in ihm. Ich sehe den Schatten eines mächtigen Mannes, der seit Tausenden von Sommern lebt und noch Tausende von Sommern leben wird. Er ist ein Herrscher in der Ewigkeit, der war, ist und sein wird.«
Lautlos steckte der Krieger den Dolch ein und huschte wie eine Katze davon. Zamorra runzelte die Stirn. »Was siehst du in mir, Medizinmann?« fragte er leise. Die Worte des Comanchen hatten ihn seltsam berührt. Er kannte diese Worte vom Herrscher, der war, ist und sein wird. Sie trafen auf jenen Schüler Merlins zu, der vor Zamorra von sich reden machte –König Artus von Britannien!
»Ich habe gesprochen«, erwiderte der Medizinmann nur.
Zamorra konzentrierte sich wieder stärker auf das Amulett, das er mit seinem zweigleisigen Denken auf der Nebenspur kontrollierte. Als er fühlte, daß der Krieger es ganz vorsichtig und zögernd berührte, als fürchte er, im magischen Feuer zu verbrennen, ließ Zamorra das grünblaue Leuchten erlöschen.
Wenig später näherte sich der Krieger wieder. Er warf das Amulett neben Zamorra auf den Boden.
»Ich danke dir, mein Freund«, sagte Zamorra und hob die Illusion der leuchtenden Hand auf.
Wortlos zog der Comanche den Dolch. Aber er stach nicht zu – er schleuderte den Dolch gegen Zamorras Brust!
Das Amulett war immer noch aktiv. Zamorra übersandte ihm einen Gedankenbefehl.
Die Silberscheibe schwebte und raste genau in die Flugbahn des Dolches. Mit einem metallischen Klirren blieb die Waffe am Amulett haften, das sich auf Zamorras Brust senkte.
»Und du bist doch ein Zauberer!« keuchte der Krieger entsetzt. So etwas hatte er noch nie gesehen! Und dieser Zauber war so völlig anders als der des Medizinmannes, wenn er Tiere für die Jagd besprach oder Regenwolken holte.
»Geh«, sagte der Medizinmann.
Der Krieger gehorchte zähneknirschend. Der Medizinmann kauerte sich neben Zamorra nieder.
»Wer bist du, weißer Mann?« fragte er leise. »Bist du jener, der mit den Geistern spricht?«
***
Olaf Schädelbrecher, der Wikinger, lauerte wie ein Schatten im Hintergrund.
Jeder, der in den seefahrenden, räubernden Wikingern nur prügelnde, saufende, plumpe Riesen aus den kalten Nordländern sieht, irrt. Als typischer Vertreter seines Volkes war Olaf weniger der brutale Schlagetot
Weitere Kostenlose Bücher