0287 - Herrscher über tausend Geister
wurde. Und das von Frankreich nach USA. Eine ganz schön reife Leistung«, sagte Manuela. »Dazu noch etwas – in der Zwischenzeit hat niemand 42 den Wagen dort gesehen. Er ist also erst in dem Moment nachträglich in die Weltgeschichte gemogelt worden, in dem er in die Vergangenheit stürzte.«
»Ein Zeitparadoxon«, sagte Bill. »Eigentlich hätte unsere gesamte Erinnerung verändert sein müssen. Wir müßten uns eigentlich erinnern, daß der Wagen schon seit hundert Jahren an dieser Stelle liegt. Da hier aber so unglaublich viele Menschen vorbeikommen, deren Erinnerung mitsamt allen möglichen Quer-Verbindungen wie Rätselraten in der Presse oder was weiß ich noch alles nur schwer zu verändern ist, eben weil es so viele sind, hat Mütterchen Natur das kleinere Übel gewählt und dieses Paradoxon entstehen lassen. Eigentlich verdammt logisch und äußerst einfach.«
»So«, machte Manuela. »Kommt so etwas öfter vor?«
Bill zuckte mit den Schultern. »Da fehlt mir die Erfahrung. Aber ich vermute noch etwas anderes… Weißt du, ich erinnere mich, daß Zamorra schon einmal bewußt für ein anderes Zeit-Paradoxon gesorgt hat. Damals überfiel eine Horde Meeghs mit ihren Dimensionsraumschiffen Merlins unsichtbare Burg. Irgendwie hat er es gemeinsam mit Merlin geschafft, in die Vergangenheit zu gehen, dasWeltentor zu schließen, bevor die Meeghs hindurchstürmen konnten – und damit waren sie nie dagewesen. Merlin und Zamorra waren die einzigen, die sich später noch daran erinnerten. Von den Meeghs gab es keine Spuren mehr, niemand sonst vermochte sich an den ausgestandenen Schrecken zu erinnern. Sie wurden einfach aus der Zeit hinausradiert. Jetzt aber wissen wir noch, wie es vorher dort drüben aussah. Das läßt meines Erachtens die Möglichkeit offen, daß das, was Zamorra und Nicole passierte, noch rückgängig gemacht werden kann. Deshalb ist die Erinnerung an das Nichtvorhandensein des Wracks noch nicht verschwunden.«
»Die beiden Theorien widersprechen sich doch.«
»Ja und nein«, brummte Bill. »Aber kannst du es mir verdenken, daß ich ständig versuche, noch Lösungsmöglichkeiten zu finden? Vielleicht können wir in die Handlung eingreifen, wenn wir wissen, in welches Jahr, Monat, Tag, der Wagen geschleudert wurde. Vielleicht können wir…«
»Und wie? Indem wir auch in die Vergangenheit reisen?«
»Ich weiß es noch nicht«, sagte Bill. »Aber ich bin sicher, daß uns im richtigen Moment auch das Richtige einfallen wird. Vorläufig brauchen wir erst einmal genaue Daten.«
Manuelas Hand berührte Bills Schulter. »Weißt du, was ich befürchte, Bill?«
Er warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Wir haben zwar keine Überreste von verbrannten Menschen in dem Wagen gefunden«, sagte sie leise. »Aber die zerrissene Amulett-Kette gibt mir zu denken. Das Amulett ist Zamorra also abgenommen worden, er war hilflos. Bill, ich glaube, daß beide längst – tot sind…«
***
Zamorra erwachte von einem heftigen Ruck und einem schneidenden Schmerz im Nacken. Er riß die Augen auf und sah einen Indianer über sich stehen, der Merlins Stern, das zauberkräftige Amulett, in den Händen hielt. Er hatte es Zamorra einfach vom Hals gerissen. Die zerstörte Kette glitt durch die Öse und blieb auf dem Boden liegen.
Zamorra war an Händen und Füßen gefesselt. Man hatte ihn in den Schatten eines großen Baumes gelegt. Neben ihm lagen Nicole und Marcus Servius Tanista, dem Schwert, Helm und Lederrüstung abgenommen worden waren. Der große schattenspendende Baum stand am Rand eines Zeltdorfes. Zamorra zählte etwa 40 größere Zelte. Aber vergeblich suchte er nach Zeichen der modernen Zivilisation wie dudelnde Radios, Papierreste, leere Eisbecher, Reifenspuren und hier und da geparkte Autos.
Ein modernes Indianerdorf aber mochte noch so aufgeräumt und stilecht nachgebaut sein – irgendwelche Spuren blieben doch immer. Und wenn es nur Kunststoffschnüre waren, mit denen die Zelthäute an den Stangen befestigt waren. Hier waren sie aber aus Leder. Und noch etwas fiel Zamorra auf: die Farbe Gelb gab es nicht.
Noch nicht.
Das Leder der Zelte war in rot, blau und grün eingefärbt, auch einige Zwischentöne gab es. Das war alles.
Der Indianer schritt mit seiner Beute davon, schwenkte die blitzende Silberscheibe wild durch die Luft. »He!« brüllte Zamorra hinter ihm her.
»Wo willst du damit hin?«
Der Indianer blieb stehen, drehte sich um und betrachtete Zamorra wie ein lästiges Insekt. »Warum
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