0288 - Dämonen-Orakel
antwortete Kassandra spröde. »Hekate konnte es! Doch die Herrin des Todes ist von mir gegangen. Ich gehorche nur ihrem Befehl und warte, bis sie zurückkommt. Dann jedoch wird sie den Macht-Kristall einsetzen!«
Kassandra hatte nicht verspürt, daß Hekate bereits nicht mehr existierte. Für sie konnte die Totengöttin jederzeit zurückkehren.
»Wird der Kristall helfen, wenn wir kämpfen?« fragte Ajax.
»Das weiß nur die dunkle Herrin!« sagte Kassandra achselzuckend. »Nur sie vermag den Kristall zu regieren. Mir jedoch hat sie Unsterblichkeit versprochen. Ich werde nicht sterben! In Ewigkeit nicht!«
»So! Das werden wir ja sehen!« brüllte Ajax. »Wenn die Schiffe des Osysseus und des Diomedes heran sind, werden wir kämpfen müssen. Und du wirst uns helfen. Du bist eine Zauberin. Nein - kein Widerstand. Das haben mir gefangene Trojaner schon vor einiger Zeit erzählt. Wenn du den Kristall nicht einsetzen kannst, dann laß dir einen anderen Zauber einfallen, der uns unbesiegbar macht!«
»Aber ich bin der magischen Künste nicht fähig!« stieß Kassandra hervor. »Ich war eine Seherin. Das Orakel von Troja. Ich habe Dinge vorausgesehen, die sich später zutrugen!«
»Und was siehst du jetzt?« lauerte Ajax.
»Nichts! Ich sehe gar nichts mehr!« flüsterte Kassandra. »Die Götter sprechen nicht mehr zu mir. Vor meinen geistigen Augen ist ein dunkler Schleier!«
»Aber ich sehe etwas!« sagte der Fürst von Lokris grimmig. »Ich sehe deinen Tod, wenn wir den Kampf verlieren. Also zaubere und bete fleißig zu den Göttern, daß wir siegen!«
»Was soll das bedeuten, Ajax!« fuhr die Tochter des Priamos auf.
»Ich glaube, daß du mit unseren Feinden gemeinsame Sache machen willst, meine Hübsche!« lachte Ajax. »Du bist eine Trojanerin. Jetzt willst du die Griechenfürsten einen gegen den anderen ausspielen, um deine Stadt so zu rächen. Doch daraus wird nichts! Ich werde dich unter Deck in dem kleinen Laderaum einschließen lassen. Ich selbst werde dich töten, wenn du es wagst, diesen Raum zu verlassen. Oder willst du nicht doch einen Kristall-Zauber für uns machen? Einen Blitz, der aus dem Stein hervorschießt und die Schiffe der Verfolger verbrennt!«
»Ich sagte schon einmal, daß nur die Göttin Hekate den Stein beherrscht!« erklärte Kassandra hart. Dann nahm sie den Dhyarra-Kristall aus ihrem Gewand und legte ihn auf dem kleinen Altar vor dem Mast ab, auf dem man sonst dem Meeresgott Poseidon Opfer darbrachte.
»Hier mag der Macht-Stein liegen. Wer es wagt, ihn zu benutzen, der soll es versuchen. Vielleicht ist einer deiner Männer so närrisch, seine geringe Geisteskraft an dem Götterstein zu messen. Oder du selbst, Ajax, bist so verwegen. Nun, wie ist es?« .
»Ich habe seine Macht gespürt!« krächzte der Lokrer trocken, während ihn die Männer der Schiffsbesatzung mit eigenartiger Scheu betrachteten. Ihnen war gar nicht wohl bei dem Gedanken, gegen die Kampfgefährten von einst nun die Waffen schwingen zu müssen. Der Krieg gegen Troja hatte die Völker der Achäer zusammengeschweißt. Sie dachten nicht mehr als Spartaner, Korinthier, Kreter oder Athener, sondern nur noch als Griechen. Es waren Waffenbrüder, die dort auf den Schiffen des Odysseus und des Diomedes die Ruder schwangen.
»Einen Zauber. Mach einen Zauber, daß wir unsere Stärke und die Gunst der Götter erkennen!« murmelte die Männer von Lokris ringsum. »Wir wollen wissen, ob der Besitz dieses Kristalles es lohnt, daß wir kämpfen.«
»Ihr habt auch vor Troja gefochten, um Menalaos die schöne Helena zurückzuerobern!« brauste Ajax auf.
»Es war die Ehre von ganz Griechenland, welche die Trojaner durch ihren schnöden Frauenraub gekränkt haben!« flüsterte es ringsum. »Der Götterstein jedoch dient nur den Machtgelüsten dessen, der ihn besitzen will!«
»Wirf ihn ins Meer, Ajax!« wurde eine Stimme laut. »Mach dich frei von dem Zwang der Macht. Der Götterstein ist unser Untergang!«
»Dein Untergang ist er gewiß, wenn du weiter solche Worte redest!« fauchte Ajax den Mann an. »Vorwärts, wir segeln auf die Küste zu. Es ist die Insel Lemnos. Wenn wir geschickt navigieren, können wir vielleicht die Gegner ohne einen einzigen Speerwurf ausschalten. Bemannt die Ruder. Und beim Barte des Zeus, wenn ihr nicht rudert, als wären alle Mächte des Hades hinter euch her… !«
»Die Frau?« fragte einer der Männer mit einem Seitenblick auf Kassandra. »Wenn es zum Kampf kommt, ist das Deck nicht der
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