0289 - Rendezvous mit Handgranaten
hieß nicht mehr Jerry Cotton. Ich hieß Larry Harper. Auf diesen Namen waren meine Papiere ausgestellt. Auf diesen Namen lautete auch die Flugkarte.
In einer Nachtschicht hatte ich mir meinen eigenen Lebenslauf eingetrichtert.
Ich war in meiner neuen Haut ein Ausbund von Edelmut, Tapferkeit und Zuverlässigkeit. Schon als Junge hatte ich die Rettungsmedaille bekommen. Dann war ich in Korea ganz groß eingestiegen. Als die Army mich nicht mehr bnötigte, hatte ich für die Alasca-Canadian-Inc. im Norden nach Uran geschürft. Zwischendurch hatte ich eine Archäologen-Expedition nach Yukatan begleitet und hatte einen fieberkranken Altertumsprofessor eigenhändig nach Mexico-City geschleppt und dabei noch seine Kiste getragen, ohne auch nur den kleinsten Griff hineinzutun, obwohl sie vollgestopft war mit goldenen Altertümern, die der Professor ausgebuddelt hatte. Was ich in der Zwischenzeit an kleineren Heldentaten begangen hatte, wollen wir unerwähnt lassen.
So großartig dieser Lebenslauf war, so erlogen war er auch. Nicht ein Wort stimmte daran, aber alle Lügen konnten durch die entsprechenden Unterlagen belegt werden. Von dem geretteten Professor trug ich sogar einen Brief in der Tasche, in dem er mich in den höchsten Tönen pries und mich seiner lebenslänglichen Dankbarkeit versicherte.
Als Larry Harper und so ausgerüstet landete ich auf dem Flughafen von Los Angeles, fuhr zur Hatway-Villa und stellte mich in der langen Reihe der 200 Bewerber an, unter denen Allan Rutson, der Sekretär des Millionärs, drei Leute aussuchen wollte.
Das Aussuchen dauerte bis in den späten Abend hinein. Die Reporter schossen wie die Wiesel an den wartenden Männern entlang, fotografierten sie, interviewten sie, fragten sie nach ihrer Meinung über die Entführung.
Als die drei Burschen, die dem Millionär zur engeren Wahl vorgeführt werden sollten, feststanden, gehörte ich zu ihnen. Das war nicht besonders erstaunlich. Rutson spielte die FBI.-Partie mit. Er allein — einige FBI.-Beamte selbstverständlich ausgenommen — war darüber informiert, daß ich G.-man war. Wir mußten ihn unterrichten, damit ich auf jeden Fall in die engere Wahl des Fünfzigtausend-Dollar-Spediteurs kam. Ernest D. Hatway selbst hingegen wußte nicht, daß sich unter den drei Männern, die sich ihm in seinem Arbeitszimmer präsentierten, ein FBI.-Beamter befand Er wollte nicht, daß seine Tochter durch einen Polizisten als Überbringer gefährdet würde.
Daß das FBI sich über diesen Wunsch hinwegsetzte, hatte mehrere triftige Gründe. Zusätzliche Gefahr entstand dabei für Julian Hatway nicht.
Ich grinste, als ich mich mit meinen beiden Mitbewerbern vor Ernest D. Ha‘-way aufbaute.
Der Millionär war ein kleiner, breitschultriger und dicklicher Mann mit einem großen, fast kahlen Schädel. Sein Gesicht war flach. Ein wenig sah er aus wie ein großer Frosch.
Allan Rutson legte ihm unsere Unterlagen vor und sprach flüsternd auf ihn ein. Hatway deponierte eine große Hornbrille auf seine flache Nase und vertiefte sich in die Papiere, ohne uns zu beachten.
Wir warteten. Ich stand in der Mitte. Rechts von mir trat Ted Parkin unruhig Von einem Fuß auf den anderen. Farkin war zwei Jahrzehnte lang Angestellter einer Detektivagentur gewesen. Er war groß und plump wie ein Bär. Der Mann an meiner linken Seite hieß Loft Laser. Er sprach Portugiesisch, hatte Geldtransporte der größten amerikanischen Bankgesellschaft begleitet und hatte sich in seinen Jugendjahren die Brötchen beim Catchen verdient.
Rutson flüsterte so leise, daß ich nicht verstehen konnte, ob er mich oder einen der anderen seinem Chef zur Annahme empfahl. Endlich blickte Ernest Hatway von den Papieren auf.
»Wer ist Parkin?«
Der Bär hob die Pranke. »Das bin ich, Sir«, antwortete er respektvoll.
»Harper?«
Ich grinste den Millionär an und nickte. Nach Loft Laser brauchte er nun nicht mehr zu fragen. Statt dessen fragte er uns alle:
»Ihr wollt also den Job, Jungs?«
»Yes, Sir!«
»Ihr wißt, worum es sich handelt?«
»Yes, Sir!«
Plötzlich stieß er den Zeigefinger gegen Parkin vor.
»Sie haben fünfzigtausend Dollar in einem Koffer bei sich«, schrie er ihn an. »Plötzlich tauchen eine Handvoll Burschen auf, die Ihnen den Koffer entreißen wollen. Was tun Sie?«
»Ich…« stotterte Parkin, völlig überrascht, »… ich wende mich an die Polizei.«
Hatway schnitt ein Gesicht, als habe er eine Zitrone verschluckt.
»Sie können gehen, mein Junge!«
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