029 - Das Geheimnis des Totengraebers
»Schade, ich hätte gern meine Geheimnisse mit Ihnen geteilt.«
Er ging, und Teddy blieb allein zurück mit einer der Amazonen des Todes.
Sie war sehr hübsch und sehr blond, und ihr nachtfarbenes Gewand stand ihr ausgezeichnet. Sie hatte grüne Augen, aber es waren Augen wie aus Eis, Augen ohne Seele.
Sie kam auf Teddy Verano zu, und er sah, daß sie etwas in der Hand hielt. Ein Skalpell.
Sie kam ganz langsam auf ihn zu, immer noch mit diesem ewig gleichen, frostigen Lächeln auf dem Gesicht.
Areal war gegangen und überließ es nun diesem Robotermädchen, seine Befehle auszuführen.
Teddy Verano sah die Frau an, wenn man das Wesen überhaupt eine Frau nennen konnte. Mehr denn je war er sich der wahren Natur der Amazonen des Todes bewußt. Zombies waren sie und nichts anderes.
Tote, die ihrem Grab entrissen und teils durch okkulte, teils durch echte Wissenschaft wieder zum Leben erweckt worden waren. Körper ohne Seele, die zu allem fähig waren, Körper aus Fleisch, aber ohne Blut.
Teddy Verano wußte, daß er von diesem Geschöpf kein Mitleid zu erwarten hatte. Dennoch wehrte sich alles in ihm dagegen, auf diese Weise zu sterben. Er wollte leben. Heftig zerrte er an seinen Fesseln, doch vergeblich.
Die Frau schien ihn anzusehen, obgleich man das bei dem starren Blick dieser Geschöpfe nie recht wußte. Überraschenderweise riefen Teddys Befreiungsversuche eine Reaktion bei ihr hervor.
»Wehren Sie sich doch nicht so. Warum tun Sie das? Sie verschwenden nur Ihre Zeit und schürfen sich die Handgelenke auf.«
Teddys Kehle war wie ausgedörrt. Er blickte zu diesem bleichen Gesicht mit den reglosen Zügen auf. Und er sah das Skalpell in ihrer Hand blitzen.
»Gibt es so etwas überhaupt?« rief Teddy. »Und wer sind Sie eigentlich? Wer sind Sie?«
Sie antwortete mit ihrer monotonen Stimme: »Ich bin eine Amazone des Todes.«
Mechanisch hob sie ihre Hand mit dem Skalpell.
»Nein!« schrie Teddy auf.
Ein geisterhaftes Lächeln erschien auf dem hübschen Gesicht der Amazone, ein Lächeln, das Angst machte, weil es das Künstliche dieses lebenden Leichnams so sehr unterstrich.
»Sie haben also Angst zu sterben?«
»Ich liebe das Leben«, rief Teddy.
Er wußte, daß diese Unterhaltung zu nichts nutze war, aber vielleicht ließ sich damit Zeit gewinnen. Wie jeder Mensch, der sich zum Tode verurteilt sieht und keine Gnade zu erwarten hat, bis zuletzt kämpfen wird, um noch ein paar Minuten Leben zu gewinnen.
»Sie lieben das Leben, aber Sie werden ja wieder leben.«
Dieses Versprechen beunruhigte Teddy noch mehr als alles andere. »Wieso – wieder leben?«
»Ich lebe doch auch wieder. Ich war tot, und jetzt bin ich wieder lebendig. Die Amazonen des Todes beweisen die Unsinnigkeit der herkömmlichen Ansichten über Leben und Tod, über das Jenseits, das Nirwana. Wir beweisen es durch unser Dasein. Sie werden sterben, durch meine Hand. Und dann werden Sie wieder leben, durch Patrice Areal.«
Teddy lachte wider Willen. Ein nervöses Lachen, das einen falschen Klang hatte.
»Leben, sterben, wieder zum Leben erweckt werden – das ist doch alles Wahnsinn!«
Seine Worte brachten ihn wieder zu sich, und er hörte auf zu lachen.
Die Amazone streckte ihre linke Hand aus und legte sie auf sein Haar.
Es war, als würde ein Eisheim über seinen Kopf gestülpt. Die Kälte strahlte aus und kroch wie ein Reptil sein Rückgrat hinunter.
Teddy versuchte sich mit heftigen Kopfbewegungen ihrem Griff zu entziehen, aber sie hielt fest.
Als sie das Skalpell hob, um es ihm an die Kehle zu setzen, schrie Teddy laut um Hilfe.
»Zu Hilfe! Hilfe! Hierher! Nein, nein! Hilfe!«
Ein jäher Hoffnungsstrahl durchzuckte Teddy, denn auf seinen verzweifelten Hilferuf antwortete jemand. Jemand rief seinen Namen. »Teddy! Teddy! Wo bist du?«
»Gérard, hierher!« brüllte Teddy, der die Stimme seines Stiefsohns erkannt hatte. Er bemühte sich noch immer mit heftigen Bewegungen seines Kopfes und Oberkörpers, dem Skalpell der Amazone auszuweichen.
Mit einer letzten Anstrengung gelang es ihm, einen Fuß aus der Fessel zu lösen, gerade als die Spitze des Skalpells seine Kehle berührte.
Er stieß mit dem befreiten Fuß zu und trat dem weiblichen Ungeheuer so kräftig gegen die Beine, daß es stolperte und hinfiel.
Fieberhaft versuchte Teddy, sich weiter zu befreien. Währenddessen schrie Gérard auf dem Gang unaufhörlich: »Teddy! Wo bist du! Sag mir, wo du bist!«
»Hierher! Schnell! Ich bin in Gefahr!«
Endlich
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