029 - Der Unheimliche
daß er den Bankier getroffen habe.
Um einen Gefallen möchte ich Sie bitten: In Bickersons Wohnung wird ein Handkoffer gefunden werden. Ich bitte Sie, ihn mir unversehrt auszuhändigen. Er enthält Geld, das Tarn und Hallam mit ihrem schändlichen Gewerbe verdient haben. Ich schlage vor, daß es zu irgendeinem Zweck verwendet wird, denn wenn es zur Gerichtsverhandlung kommt, könnten Verwicklungen entstehen, die man vermeiden sollte.«
»Was wollen Sie eigentlich mit Hallam tun? Gegen ihn läuft ein Haftbefehl.«
»An ihrer Stelle würde ich den zurückziehen«, meinte Amery ruhig. »Ich habe gestern etwas sehr Eigenartiges erfahren: Tupperwill muß gewußt haben, daß Maurice Tarns Geld verschwunden war, denn er versuchte Hallam zu überzeugen, daß ich das Geld in einem Tresor der Stebbings-Bank deponiert habe. Tupperwill hoffte, daß Hallam mich deswegen erledigen würde, denn sowohl er als auch Bickerson wußten, wer ich bin. Wenn ich mich nicht sehr täusche, ist Bickerson jetzt auch tot.«
»Tot?« rief der Kommissar.
»Bickerson trug immer Zyanidtabletten bei sich«, behauptete Amery. »Wenn er intelligent ist, wird er sie zu gebrauchen wissen, bevor man ihn durchsucht. Und nun«, fuhr er fort und schaute prüfend auf seine Uhr, »will ich mich meinem völlig vernachlässigten Geschäft widmen.«
Es war ein herrlicher Vormittag, als er in einem Taxi langsam durch die verkehrsreichen Straßen der City fuhr. Seme Gedanken waren vom Tod und von der Gefahr, von der schrecklichen Nacht in der Garage und von der Grube weit entfernt. Seine Arbeit, die viele Jahre in Anspruch genommen hatte, war nun beendet. Vielleicht würde noch eine Gerichtsverhandlung folgen. Aber dann begann für ihn eine andere Arbeit. Eine herrliche Zukunft lag vor ihm, mit einem Mädchen, das er liebte!
Ralf Hallam erwartete ihn bei seiner Ankunft.
»Nun, war es so, wie Sie dachten?« Amery nickte.
»Was wird nun mit mir?«
»Kommen Sie heute abend zu mir!« sagte Amery. »Wenn unser Freund Wille seine Meinung nicht geändert hat, will ich Ihnen einen Teil des Inhalts der Handtasche aushändigen. Ist Miss Marlowe mit Ihnen gekommen?«
»Nein, Lou sagte, sie schlafe noch.« Amery nagte an seiner Unterlippe.
»Es war sehr freundlich von Ihrer Frau, die Nacht bei Elsa zu verbringen. Fahren Sie übrigens allein an Ihren ungewissen Bestimmungsort?«
Ralf rieb sich das Kinn, »Nein«, antwortete er. »Ich will einen Versuch machen, anständig zu sein. Lou ist keine Frau, die Begeisterung in einem erweckt, aber sie ist ein rettender Hafen.«
Er verabschiedete sich von Amery und war kaum die Wood Street bis zur Cheapside hinuntergegangen, als er sah, wie Elsa in das alte Portal einbog.
Dieser Tag war für Elsa Marlowe voll Staunen und Seligkeit gewesen, denn in dem Zimmer, vor dem sie sich fürchtete, hatte sie die Stimme gehört, die sie über alles liebte.
Der Himmel strahlte in tiefem Blau, nur hier und da zog ein Wölkchen vorüber - so weiß und duftig wie ein Brautschleier.
Elsa betrat ihr Zimmer, nahm den Hut ab und hob den Deckel von der Schreibmaschine. Doch bevor sie sich gesetzt hatte, läutete die Glocke.
Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, als sie die Tür öffnete und eintrat.
»Wünschen Sie etwas, Major Amery?« fragte sie atemlos.
Ohne irgendeine Antwort nahm er sie in die Arme. Dann befahl er:
»Nehmen Sie folgendes auf!« und sie setzte sich lächelnd an den Tisch und öffnete ihren Stenoblock. Der Bleistift zitterte in ihrer Hand und machte ganz eigenartige Bewegungen, als er diktierte:
›An Monte-Rosa-Hotel, Como, Italien.
Bitte für mich und meine Frau in vier Wochen Zimmer reservieren.
Major Amery.‹
ENDE
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