029 - Hexenjäger aus dem Gestern
habt ihr verbrochen?«
»Ich hatte eine Schwester«, sagte Ketton leise. »Wir lebten auf einer kleinen Farm, ernährten uns mehr schlecht als recht, aber Count Gilford wollte immer mehr Steuern von uns haben. Als wir ihm nichts mehr geben konnten, schickte er seinen Vertrauten, und dieser fiel wie ein Tier über meine Schwester her. Ich wollte ihn umbringen. Ich hab’s versucht, doch er hatte Glück, kam schwer verletzt davon. Daraufhin brannten die Männer des Count unsere Farm nieder. Meine Schwester kam in den Flammen um, und ich konnte mich in die Wälder retten. Seither lebe ich hier als Gesetzloser, und ständig stoßen neue Männer zu uns, die ein ähnliches Schicksal ertragen mußten. Wir sind keine Verbrecher, Tony Ballard. Der Count hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Wir überfallen Kutschen und Reitertrupps und holen uns, was wir brauchen. Sogar Geld besitzen wir, und der Tag ist nicht mehr fern, an dem wir den Count zur Hölle schicken.«
»Die Soldaten des Count sind bestimmt besser bewaffnet als ihr«, erwiderte ich.
»Dafür haben wir mehr Mut«, sagte Ketton. »Jeder von uns würde sein Leben dafür geben, um das Land von diesem Dreckskerl zu befreien.«
»Warum habt ihr ihn noch nicht angegriffen?«
»Vielleicht hätten wir uns schon dazu entschlossen, aber seinen Männern fiel Myrna in die Hände.«
»Myrna?« fragte ich.
»Meine Freundin«, erklärte Ken Ketton. »In unserem Lager gibt es nur wenige Frauen. Das Leben ist hart, und die Soldaten des Count durchstreifen unermüdlich den Wald. Wir sind oft tagelang vor ihnen auf der Flucht. Manchmal stellen wir uns und kämpfen. Es kommt auf die jeweilige Situation an und auf die Anzahl der Gegner. So mancher meiner tapferen Freunde mußte in diesen Kämpfen sein Leben lassen, aber wir geben nicht auf. Wir können nicht aufgeben. Für uns gibt es nur die Flucht nach vorn. Myrna verstand zu kämpfen wie ein Mann. Sie ist eine Wildkatze, und jeder von uns konnte sich auf sie verlassen…«
Ketton brach ab. Er scharrte mit dem Stiefel über den weichen Waldboden.
Ich wartete darauf, daß er fortfuhr.
»Vor drei Tagen überfielen sie uns«, berichtete Ketton mit grimmiger Miene. »Es war in der Nacht. Sie töteten die Wachen und brausten wie ein tödlicher Sturm über uns hinweg. Wir stoben in alle Richtungen auseinander. Ich verlor Myrna aus den Augen, kämpfte um mein Leben gegen eine Übermacht von Feinden. Ich hörte Myrna schreien, und es drohte mir das Herz zu zerreißen. Ich tötete meine Gegner, aber Myrna konnte ich nicht mehr beistehen. Sie verschleppten sie und warfen sie in den Kerker. Der Count weiß, was ich für dieses Mädchen empfinde. Er würde sie auf der Stelle töten lassen, wenn wir es wagten, ihn anzugreifen… Irgend jemand soll behauptet haben, Myrna wäre eine Hexe. Das rief natürlich sofort Stockard Ross auf den Plan …«
»Das heißt, daß der Hexenjäger sie nun in die Mangel nimmt?«
fragte ich unangenehm berührt.
Ketton nickte. »So ist es, Tony Ballard. Jeder Tag ist für mich eine entsetzliche Folter, wie du dir denken kannst.«
»Warum versuchst du nicht, Myrna zu befreien?«
»Das habe ich vor.«
»Wann?«
»Heute nacht.«
»Ich komme mit dir«, sagte ich entschlossen.
»Das ist nicht deine Sache, Tony Ballard. Der Kerker wird scharf bewacht. Es kann dich Kopf und Kragen kosten.«
»Stockard Ross wird deine Freundin auf den Scheiterhaufen bringen.«
»Ross ist ein Teufel. Er mordet im Schatten des Kreuzes. Irgend jemand soll behauptet haben, Stockard Ross wäre ein Dämon, und ich glaube das auch. Deshalb könnte ich mir vorstellen, daß sich die Totenpriesterin und ihr Komplize zu ihm begeben haben.«
»Ich werde herausfinden, ob er ein Dämon ist.«
»Er verstellt sich gut.«
»Mit diesem Ring werde ich ihn entlarven«, sagte ich und zeigte Ken Ketton den magischen Ring.
»Und was tust du, wenn er tatsächlich ein Dämon ist?« fragte der Anführer der Gesetzlosen gespannt.
»Dann vernichte ich ihn«, sagte ich mit fester Stimme.
Ketton lachte gepreßt. »Er vernichtet ihn. Einfach so. Freund, ich zweifle daran, ob du weißt, was du sagst.«
»Keine Sorge, ich weiß es.«
»Soldaten!« Dieser Schrei gellte plötzlich auf, und im nächsten Moment brach die Hölle los. Die Soldaten des Count fielen über die Gesetzlosen her, und ich befand mich mittendrin in diesem tödlichen Geschehen.
***
Als Esther Morgan die Augen aufschlug, befand sie sich nicht mehr in ihrem Haus, sondern
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