029 - Hexenjäger aus dem Gestern
zurückkehrt, bin ich verloren. Selma lebt nicht mehr. Soll auch ich mein Leben verlieren?«
»Du hast es schon verloren. O Jeremias, warum warst du so unvernünftig? Warum hast du die Vampirhöhle betreten?«
»Ich wollte mir Gewißheit verschaffen. Es geschah auch in deinem Interesse, Esther. Ich habe mich für dich geopfert. Soll Robert mich dafür nun grausam bestrafen? Kannst du dir vorstellen, wie schrecklich es ist, gepfählt zu werden? Robert wird mir den Eichenpflock an die Brust setzen und zuschlagen. Die Holzspitze wird meinen Brustkorb durchdringen und mein Herz durchbohren!«
»Hör auf!« schrie Esther. Sie schüttelte wild den Kopf und hielt sich die Ohren zu. »Ich kann es nicht hören!«
»Du wirst es sogar sehen!«
Was immer er sagt, hör nicht zu…
»Esther, sieh mich an, schau mir in die Augen«, verlangte der Vampir.
Sie wollte es nicht, gehorchte aber, und wieder spürte sie die unheilvolle hypnotische Kraft seines Blickes. Es war so, als würde die Schlange die Maus anstarren.
Der Blutsauger hatte die Absicht, seine Frau in seinen Bann zu schlagen, ihr seinen Willen aufzuzwingen. Es schien ihm auch zu gelingen.
»Komm näher!« verlangte er.
Und Esther machte tatsächlich einen Schritt.
»Noch näher«, befahl ihr der Vampir, und sie gehorchte. »Und nun binde mich los, Esther. Du weißt, was ich dir versprochen habe. Ich werde mich daran halten. Ich bin für die Menschen keine Gefahr. Ich möchte nur am Leben bleiben. Ist das denn zuviel verlangt? Möchte nicht jeder leben?«
Esther bückte sich und griff nach dem Strick, den Robert Daniels festgezurrt hatte. Über das bleiche Gesicht des Schattenwesens huschte ein grausames Lächeln.
Nie und nimmer dachte Jeremias Morgan daran, sich an sein Versprechen zu halten. Tierblut… Pfui Teufel … Nur wenn die Not ganz groß war, trank ein Vampir das Blut eines Tiers.
Sobald Esther ihn losgebunden hatte, würde er sich auf sie stürzen – und gemeinsam würden sie dann über Robert Daniels herfallen. Als Vampire!
Als Esther den Strick berührte, gab es ihr einen Schlag, der sie ernüchterte. Mein Gott, was tue ich? fragte sie sich entsetzt. Jeremias drängte sie, ihm endlich die Fesseln abzunehmen, und er starrte sie mit diesem durchdringenden Blick an, den sie nicht ertragen konnte.
Da warf sie ihm das Kruzifix ins Gesicht, und er stieß ein markerschütterndes Gebrüll aus. Sie fühlte sich frei und trat zurück. Das Kreuz lag neben seinem Kopf.
»Nimm es weg!« schrie der Vampir gequält. »Nimm das verdammte Ding weg!«
Doch Esther näherte sich dem Tisch nicht mehr, und das Kruzifix verhinderte, daß der Blutsauger ihr noch einmal gefährlich werden konnte.
Robert Daniels kehrte aus dem Schuppen zurück. Er hielt einen glatten, spitzen Eichenpfahl in seiner Rechten. In der Linken trug er die Axt. Sein Gesicht wirkte hart, wie aus Granit gemeißelt.
Als Jeremias Morgan den Eichenpflock sah, gebärdete er sich wie verrückt. Er schrie und heulte, er bäumte sich auf und versuchte die Fesseln zu sprengen.
Er winselte und wimmerte, flehte um Schonung seines Lebens.
»Robert, bei unserer einstigen Freundschaft… Esther, wir waren Mann und Frau …«
Nichts nützte ihm. Er versprach alles mögliche, bot sogar an, sich selbst das Leben zu nehmen, nur Robert Daniels solle es nicht auf diese furchtbare Weise tun.
Daniels blieb hart. Aber es fiel ihm nicht leicht. Etwas schnürte ihm die Kehle zu, als er an den Tisch trat. Er nahm das Kruzifix fort, drückte es Esther in die Hand und sagte: »Bete.«
»Was soll ich beten?« fragte sie heiser.
»Egal. Irgend etwas. Bete für seine arme Seele.«
Esther nickte, nahm das Kreuz in beide Hände, küßte es und sprach murmelnd die Worte eines langen Gebets. Die Worte peinigten das Schattenwesen. Morgan schrie wie auf der Folter, und Esther betete immer lauter.
Robert Daniels trat neben seinen einstigen Freund. »Es tut mir leid«, sagte er aufrichtig.
»Du wirst es nicht tun!« hechelte der Vampir. »Du darfst es nicht tun!«
»Ich muß es tun! Es geschieht zu unserem Schutz, und zu deiner Seelenrettung«, sagte Daniels und setzte dem Vampir den Eichenpflock auf die Brust. »Neiiin!« brüllte Jeremias Morgan.
Daniels drehte die Axt um, so daß die dumpfe Seite nach unten wies. Damit wollte er zuschlagen. Mit einem einzigen kraftvollen Schlag wollte er Morgan das Holz ins Herz treiben.
»Pacar!« schrie Jeremias Morgan. »Meister! Hör meinen Hilferuf! Rette mich!«
»Niemand
Weitere Kostenlose Bücher