029 - Hexenjäger aus dem Gestern
Ketton. »Ich verdanke ihm mein Leben. Ich wollte, er würde für immer bei uns bleiben.«
»Das ist leider nicht möglich«, sagte ich. »Wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe, muß ich in meine Zeit zurückkehren.«
»Und deine Aufgabe ist es, Yora und ihren Komplizen unschädlich zu machen.«
»Ich habe meine ›Wunschliste‹ erweitert«, sagte ich. »Von nun an steht auch Stockard Ross, der Hexenjäger, darauf. Wenn er ein Dä- mon ist, wie du sagst, muß ich mich seiner annehmen, das erachte ich als meine Pflicht.«
»Du bist sehr tapfer, Tony Ballard.«
Ich hob schmunzelnd die Schultern. »Man tut, was man kann. Wann befreien wir Myrna?«
»Kurz vor Mitternacht ziehen wir los.«
»Nur wir beide?«
»Zu zweit fallen wir am wenigsten auf.«
»Ganz meine Meinung«, sagte ich, und mir lief es eiskalt über den Rücken, als mir die grausamen Foltermethoden der Inquisition einfielen.
Ken Kettons Ansicht nach war Myrna zäh. Aber es gab keinen Menschen, den die Inquisition nicht gebrochen hatte.
Wir konnten nur hoffen, daß Myrna diese Nacht noch durchhielt.
***
Myrna Grey lag auf dem stinkenden Stroh, das die kalten Steinquadern bedeckte. Sie war ein schönes schwarzhaariges Mädchen mit vollen Brüsten und einem geschmeidigen Körper.
Für ein Mädchen war sie ziemlich kräftig, aber das hatte ihr nichts genützt. Mit Klauen und Zähnen hatte sie sich gegen die Soldaten des Counts gewehrt, doch sie waren in der Überzahl gewesen und hatten sie hierher verschleppt.
Man hatte sie dem Count vorgeführt, und Michael Gilford hatte sie höhnisch angegrinst. »Sieh einer an, was für ein schillerndes Vö- gelchen uns da zugeflogen ist«, hatte er spöttisch gesagt. »Myrna Grey, die Geliebte des Anführers der Gesetzlosen! Das ist ein Schlag, der Ken Ketton sicherlich sehr schmerzhaft trifft!«
»Wenn du denkst, ihn damit in die Knie zwingen zu können, irrst du dich!« hatte Myrna dem Count, an dessen Seite seine Frau Blythe gestanden hatte, respektlos ins Gesicht geschrien. »Ken Ketton wird nicht aufhören, dich zu bekämpfen! Er wird dich töten.«
»Er wird hängen. Oder brennen. Seine Tage sind gezählt.« Mit angewiderter Miene verlangte Count Gilford, man möge das rebellische Mädchen aus seinen Augen schaffen.
»Du regierst nicht mehr lange!« kreischte Myrna, während sie sie hinausschleiften. »Das Volk hat genug von dir! Die Gesetzlosen werden sich rächen!«
Count Gilford befahl, ihr fünfundzwanzig Peitschenschläge zu geben, und jemand aus seiner nächsten Umgebung meinte: »So, wie die sich aufführt, benehmen sich nur Hexen!«
Michael Gilford fand außerordentlichen Gefallen an diesem Gedanken. Er ließ sofort Stockard Ross zu sich rufen, und er sagte zu dem Hexenjäger: »Ich will ein Geständnis von dieser Hexe.«
»Ihr bekommt es, Sir«, sagte Stockard Ross, sich leicht verneigend. »Ich liefere euch alle Beweise, die wir brauchen, um dieses Mädchen als Komplizin des Teufels auf den Scheiterhaufen zu bringen.«
»Beweise allein genügen mir nicht. Sie muß es gestehen.«
»Sie wird ein Geständnis ablegen.«
»Und sie muß gestehen, daß ihr Geliebter Ken Ketton ebenfalls mit dem Satan im Bunde ist.«
»Das wird sie. Sie wird alles gestehen, was Ihr verlangt.«
Nachdem man Myrna öffentlich ausgepeitscht hatte, warf man sie für kurze Zeit in den Kerker. Aber dort blieb sie nicht lange.
Man holte sie, und Stockard Ross zeigte ihr sein Folterarsenal. Das Streckbrett, die Daumenschrauben, die Knochenbrecher…
»All das kommt auf dich zu, wenn du nicht gestehst«, sagte er.
»Was soll ich gestehen?«
»Daß du mit dem Teufel paktierst.«
»Wenn das jemand tut, dann bist du das, Stockard Ross. Ich weiß nicht, wie du es schaffst, dich im Schatten des Kreuzes aufzuhalten, wo man von dir doch behauptet, du wärst ein Dämon!«
Er schlug sie und schleppte sie vor das Inquisitionstribunal. Seine Folterknechte mußten sie völlig entkleiden, und dann nahm der Hexenjäger ein Messer in die Hand, das man »Hexenstecher« nannte und als solches traurige Berühmtheit erlangt hatte.
Es herrschte allgemein der Glaube, daß alle Hexen an ihrem Körper ein Mal hätten, das vom Teufel stamme und gegen Schmerzen unempfindlich sei. Vor aller Augen überprüfte Stockard Ross mit dem Hexenstecher den nackten Körper des Mädchens Zentimeter um Zentimeter.
Ein gewöhnliches Messer hätte Myrna bei jedem Stich aufschreien lassen, doch der Hexenstecher besaß eine besonders gefederte Klinge,
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