029 - Hexenjäger aus dem Gestern
die in den Griff des Messers zurückglitt, wenn Ross zustach.
Die zusehenden Personen vermeinten, die Klinge in den Körper eindringen zu sehen, und das Opfer gab keinen Laut von sich. Der Umstand, daß die Hexe nicht aufschrie, wurde als erster Schuldbeweis gewertet, den Stockard Ross schriftlich festhalten ließ.
Doch Myrna erklärte sich zu keinem Geständnis bereit. Sie war entschlossen, alle Schmach und alle Schmerzen auf sich zu nehmen.
Wenn man sie verbrennen wollte, konnte sie es nicht verhindern.
Aber sie wollte nicht als geständige Hexe sterben.
Sie erklärte das öffentlich, doch das störte Stockard Ross nicht. Er wußte, daß er auch dieses Mädchen als Hexe überführen konnte. Es folgte die Befragung durch Wasser.
Man schnallte Myrna auf eine Holzbank und zwang sie, große Mengen Wasser zu trinken, was zu starken Schmerzen führte. Doch Myrna Grey blieb dabei: Kein Geständnis, Und nun lag sie auf dem Stroh und wußte, daß sie sich auf einer Talfahrt befand, die niemand mehr anhalten konnte. Jedesmal wenn sie Schritte hörte, erschrak sie, denn sie befürchtete, der Hexenjäger würde wiederkommen.
Er war so grausam, daß er einfach ein Dämon sein mußte. Wieso erkannte niemand sein wahres Gesicht? Warum stellte man nicht ihn auf den Scheiterhaufen? Er hatte es tausendfach verdient.
Myrna drehte sich ächzend auf die Seite. Die Schmerzen hatten endlich nachgelassen. Furcht preßte Myrnas Herz zusammen.
Die Furcht davor, nicht durchzuhalten. Stockard Ross hatte erst einen Bruchteil der schrecklichen Befragungsmethoden angewendet.
Wer sollte all die Qualen aushalten?
Abermals vernahm Myrna Schritte. Sie näherten sich ihrer Kerkertür. Ein Riegel wurde zur Seite geschoben, die Tür krachte gegen die Steinwand, und Stockard Ross, der grausame Hexenjäger, trat ein.
***
Wir erreichten das Lager der Gesetzlosen. Zwischen, beziehungsweise unter Felsen hausten die Vogelfreien. Sie kamen nur zögernd zum Vorschein. Was für ein unwürdiges Leben sie doch zu leben gezwungen waren.
Es waren auch alte Männer dabei. Ken Ketton schickte niemanden zurück. Wer ihn um Hilfe und Schutz bat, der durfte bleiben. Ich sah einige Frauen und Mädchen.
Sie kümmerten sich sofort um die Verwundeten. Eine Frau, die seine Mutter hätte sein können, nahm sich Kettons Verletzungen an. »Ich hoffe, der Bastard, der dir diese Wunde zugefügt hat, lebt nicht mehr«, zischte sie.
»Der Bastard bin ich«, sagte ich, und die Frau funkelte mich haßerfüllt an.
Ketton lachte. »Das ist Tony Ballard, mein Freund. Er gehört bis auf weiteres zu uns. Er will mir helfen, Myrna zu befreien.«
Die Frau musterte mich argwöhnisch. »Und warum tut er das? Wie sieht er denn aus?«
»Er ist ein Mann aus der Zukunft«, sagte Ketton.
»Du willst mich wohl auf den Arm nehmen.«
»Es stimmt, Hazel.« Ketton berichtete der Frau, die seine Wunde versorgte, meine Geschichte. Sie hätte sie wohl keinem anderen geglaubt, Ketton aber nahm sie sie ab.
Als er erwähnte, daß ich ihm das Leben geschenkt und gerettet hatte, erhob sich Hazel, trat auf mich zu und sagte ernst: »Ich glaube, ich muß mich bei dir entschuldigen, Tony Ballard.«
»Schon in Ordnung«, erwiderte ich und schmunzelte.
Später aßen wir über dem Feuer gebratene Kaninchen, und obwohl ich einen Bärenhunger hatte, wurde ich nicht satt. Nach dem Essen saßen Ken Ketton und ich nebeneinander auf der Erde, lehnten an einem Felsen, und ich mußte ihm vom 20. Jahrhundert erzählen.
»Fliegen? Die Menschen können richtig fliegen? Sie steigen zu Hunderten in diese… wie nanntest du sie? … Flugzeuge?«
»Ja.«
»Und man kann fliegen, wohin man will?«
»Sofern man das nötige Geld dafür hat.«
»Das stelle ich mir großartig vor«, sagte Ken Ketton mit verklärtem Blick. Er wollte mehr über mich und meine Freunde sowie über meine Tätigkeit erfahren, und ich erzählte ihm auch davon.
»Du mußt viele Feinde haben«, meinte Ketton.
Ich grinste. »Hast du die nicht auch?«
»Doch, aber meine Feinde sind keine Dämonen.«
»Was ist mit Stockard Ross?«
Ketton lachte. »Den überlasse ich dir.«
»Einverstanden. Es tut mir leid, dich an der Schulter verletzt zu haben, Ken.«
»Ach, es ist ja nur ein Kratzer.«
»Wird er dich nicht behindern, wenn wir Myrna zu befreien versuchen?«
»Um Myrna würde ich mit nur einem Arm kämpfen. Ich liebe sie so wie du Vicky Bonney liebst. Außerdem…« Er lachte wieder.
»Außerdem habe ich den besten Schutzengel
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