0290 - Die dritte Mahnung war aus Blei
um sein Gerede, sondern sprang von der Bahnsteigkante hinunter auf die Gleise und kletterte auf der anderen Seite, wo so eine Art Gepäckbahnsteig war, wieder hoch.
Von hier aus konnte ich sie sehen.
Margret Martin stand in der Telefonzelle. Deutlich sah ich durch die Scheiben ihre Gestalt. Sie telefonierte. Das heißt, ich konnte sehen, dass sie den Telefonhörer an ihr Ohr hielt. Und ich sah auch die karierte Reisetasche, die sie noch immer fest unter den einen Arm geklemmt hielt.
Ich schlenderte ein kleines Stück weiter in ihre Richtung und blieb dann vor einem der schweren Eisenträger stehen, die die Decke der Halle abstützten. In die Stahlkonstruktion war eine Ablage eingebaut, worauf eine Reihe von Werkzeugen lagen. Lange Hämmer, um die Bremsen der Wagen zu prüfen, Haufen von Putzwolle, Ölkannen, Fettspritzen. Ich machte mich dort zu schaffen.
Margret Martin kam jetzt aus der Zelle heraus.
Ich wartete gespannt darauf, was sie jetzt tun würde. Dem Anschein nach war sie ruhig. Sie ging den Bahnsteig wieder hinunter.
Ich setzte mich ebenfalls automatisch in Trab, sprang von dem Gepäckbahnsteig auf die Gleise hinunter und schwang mich auf den Bahnsteig 2 hoch.
Margret Martin ging ruhig weiter. Ich konnte von hier aus meist nur ihren Kopf sehen, aber dann erkannte ich, dass sie dem Ausgang zustrebte.
Zum Glück war niemand in meiner unmittelbaren Nähe, als ich den ellenlangen Fluch ausstieß. Ich verbrauchte so ungefähr den halben Wochenbedarf eines alten Matrosen, bis ich auf einen Schlag abbrach, denn Margret Martin hatte wahrscheinlich nur eine Gruppe von Leuten umgehen wollen und marschierte jetzt auf die Unterführung los, die zu den anderen Bahnsteigen führte.
Erleichtert atmete ich auf. Ich ging ebenfalls zur Treppe. Margret Martin musste ja unten in dem Durchgang an mir vorbei kommen. Ich schlenderte nicht zu schnell die Treppe hinunter, denn ich wollte der Martin folgen. Ich nahm mir sogar die Zeit, eine Zigarette aus der Tasche zu holen. Ich brach ein Stück ab. Den größeren Teil steckte ich mir zwischen die Lippen und setzte ihn in Brand.
Ich stand im letzten Drittel der Treppe. Unten sah ich gerade Margret Martin im Schein der Tunnellampen. Sie musste an der äußersten rechten Seite gehen, denn ich sah nur die untere Hälfte ihrer Figur. Und die karierte Reisetasche, die sie krampfhaft umklammert hielt.
Ich schob den Zigarettenstummel mit der Zunge in meinen linken Mundwinkel und startete.
Im Durchgang waren nur wenige Leute, die zu den anderen Bahnsteigen wollten. Eine verdächtige Person konnte ich nicht entdecken. Die Martin ging vielleicht zehn, zwölf Schritte vor mir.
Das dumpfe Dröhnen eines durchrauschenden Zuges erfüllte den Tunnel mit ohrenbetäubendem Lärm. Unwillkürlich zog ich den Kopf ein, als ob die Gefahr bestünde, dass mir die Decke auf den Schädel käme.
Genau so plötzlich, wie das Geräusch gekommen war, verschwand es wieder.
Margret Martin wandte sich jetzt nach links und ging die Treppe zum Bahnsteig 7 hoch. Ich hielt den bisherigen Abstand ein und folgte ihr. Auf den letzten Stufen hörte ich das Geräusch eines herankommenden Zuges. Er lief auf Bahnsteig 7 ein.
Die Gangster mussten einen genauen Zeitplan gemacht haben, das musste ihnen der Neid lassen.
Metallisch quietschten die Bremsen des Zuges. Ich stand jetzt auf dem Bahnsteig und sah mich nach der Martin um. Sie stieg in einen Wagen, dessen Tür sich genau vor ihr geöffnet hatte. Sie war die einzige Reisende, die in diesen fast leeren Wagen zustieg. Mit einem sanften Ruck setzte sich der Zug in Bewegung.
***
»Tempo, Mann! Holen Sie raus, was in der Kiste drinsteckt!«, trieb Phil Decker den Fahrer des Bereitschaftswagens an.
»Okay!«, brummte der gleichgültig und riss das Steuer herum, dass die Insassen durcheinander purzelten. Mit quietschenden Reifen ging es um die Ecke, ohne dass der Fahrer den Fuß auch nur einen Bruchteil eines Millimeters vom Gaspedal genommen hätte.
»Wir wollen nicht auf den Friedhof«, brumme Fred Nagara und rückte auf seinem Sitz zurecht. »Wir wollen in die Division Street.«
»Aber schnell«, rief der Fahrer über die Schulter zurück.
Phil schaute auf seine Uhr. Seit ihrem Start vom Districtgebäude waren jetzt acht Minuten vergangen. Fred Nagara folgte diesem Blick.
»Ob wir den Kerl noch erwischen?«, fragte er.
Phil zuckte die Schultern. »Wir wollen es hoffen. Wir müssen ihn kriegen, hört ihr? Wir müssen! Wenn wir vor der Kneipe sind, dann
Weitere Kostenlose Bücher