0293 - Im Netz des Vampirs
einmal ließ sie den Blick zum Himmel und dann durch die sie allseitig umgebende Schwärze schweifen…
Stopp!
War da nicht etwas?
Sie schaute genauer hin.
Weit, weit entfernt, irgendwo in der Tintenschwärze war ein Fleck. Ein Lichtschimmer. Mehr als spärlich, aber Teris Augen schienen sich mittlerweile etwas besser an die Finsternis gewöhnt zu haben, so daß sie ihn wahrnehmen konnte.
Da es sich dabei um das einzige Unterscheidungsmerkmal in der ganzen Gegend handelte, fiel ihr der folgende Entschluß nicht schwer.
Teri fixierte das trübe Leuchten, machte einen kleinen Schritt vorwärts - und sprang.
***
Schlagartig war die Nacht hereingebrochen und hatte sie quasi dazu gezwungen, das Innere des Bergkegels zu betreten, obwohl Zamorra plötzlich alles andere als wohl bei dem Gedanken war. Das geheimnisvolle Öffnen des Metalltors, das einfach in den Fels geglitten war und eine gewaltige Öffnung freigab… Das war ihm nicht geheuer! Da steckte eine Teufelei dahinter. Eine verdammte Falle, dachte Zamorra. Der ganze Berg ist eine einzige Falle, und wir tun dem großen Unbekannten auch noch den Gefallen, freiwillig hineinzutappen!
Aber was für eine Wahl hatten sie schon gehabt…?
Hinter ihnen glitt langsam wieder die Metallwand in ihre Ausgangsposition zurück und riegelte den Rückweg ab. Wenn sie gewollt hätten, wäre es ihnen noch möglich gewesen, wieder hinauszukommen, ehe sich der letzte Spalt schloß.
»Da, sehen Sie!« rief Muriel Ferrier erstickt. »Man sperrt uns ein! Was soll das? Was hat man mit uns vor?«
Betretenes Schweigen antwortete ihr. Keiner machte den Versuch, die letzte Möglichkeit zur Flucht zu nutzen, solange das Tor offen war.
Dann war es vorbei.
»Wir haben uns entschiedeñ«, meinte Zamorra unbehaglich und sah in die blassen Gesichter, die ihn umringten.
Sie standen in einer Art Vorhöhle von der Größe eines Luftschutzkellers. Von der Decke strahlte unaufdringliches rötliches Licht, ohne daß zu erkennen war, durch was es erzeugt wurde. Am gegenüberliegenden Ende der Höhle begann ein ovaler Schacht, der unzweifelhaft tiefer ins Berginnere führte.
Zamorra nickte in die entsprechende Richtung. »Packen wir’s«, rief er.
»Wenn ich nur wüßte, woher Sie Ihren Tatendurst nehmen«, brummte Claude Ferrier. Mehr sagte er nicht. Wie alle war auch er sehr wortkarg geworden.
»Ich bin Optimist«, entgegnete Zamorra lakonisch. »Das ist alles.« Er lachte. »Versuchen Sie’s doch auch mal.« Dann wandte er sich an alle und sagte: »Wir müssen dicht zusammenbleiben. Wir dürfen uns unter keinen Umständen verlieren. Nur gemeinsam haben wir eine Chance.«
»Weise gesprochen«, spöttelte Ferrier. Auf seinem Gesicht glänzte Schweiß, obwohl die Temperaturen merklich gesunken waren.
Muriel warf ihm einen verweisenden Blick zu. Es schien ihr unangenehm zu sein, daß sich ihr sonst so souveräner Vater gehenließ. Ferrier zog den Kopf etwas zwischen die Schultern und sah aus wie ein trotziges Kind, das gerade einen Tadel erhalten hatte.
Zamorra ging darüber hinweg.
»Wir müssen auf ihn aufpassen«, flüsterte er Nicole jedoch zu, als sie sich in Bewegung setzten. »Er könnte uns in Schwierigkeiten bringen. Halte bitte ein wachsames Auge auf ihn.«
»Du kannst dich auf mich verlassen«, gab Nicole ebenso leise zurück. »Die beiden Ferriers sind der Schwachpunkt. Um Raffael brauchen wir uns, glaube ich, keine Sorgen zu machen.«
Das stimmte. Der betagte Butler und Freund der Familie hielt sich wacker. Er hielt sich stets diskret im Hintergrund, handelte besonnen und ging niemandem durch ständiges Gejammere auf die Nerven. Ferrier hätte sich eine Scheibe an ihm abschneiden können. Andererseits mußte man auch den Bürgermeister verstehen. Zamorra machte ihm keinen Vorwurf, weil er mit dieser Extremsituation nicht spielend fertig wurde. Er erinnerte sich nur zu gut an seine eigenen Reaktionen, als er das erste Mal direkt mit dem Übersinnlichen, Dämonischen in Berührung gekommen war… Das lag lange zurück, und auch er hatte erst Erfahrungen sammeln müssen, die ihm jetzt zugute kamen. Ähnlich erging es Nicole, die ihn auf den meisten seiner Abenteuer begleitete.
»Was ist das eigentlich für ein Boden?« fragte Muriel, als sie den Schacht fast erreicht hatten. »Der sieht ja komisch aus.«
Komisch mochte nicht ganz die richtige Bezeichnung sein, aber Zamorra mußte gestehen, daß das Mädchen recht hatte. Irgendwie stimmte tatsächlich etwas nicht mit dem
Weitere Kostenlose Bücher