0293 - Im Netz des Vampirs
wie eine Maske furchtbaren Schreckens. Sie schien nicht recht begreifen zu können, was eigentlich passiert war.
»Wo… ist er?« flüsterte sie und torkelte wie betrunken zwei, drei Schritte nach vorn, lief einfach auf Zamorra zu. Der fing sie auf. Strich ihr behutsam über den Kopf und gab Nicole einen Wink.
»Wir werden ihn finden«, flüsterte er behutsam. »Keine Angst, wir holen ihn wieder raus.«
Er übergab das Mädchen sanft in Nicoles Arme. Sie wechselten einen raschen Blick, der alles ausdrückte, was es zu sagen gab. Kümmere dich um sie. Versuch es zumindest.
Raffael rückte näher. »Kann ich irgend etwas tun?« fragte er. Er strich sich eine graue Haarsträhne aus dem Gesicht und strahlte ungeminderten Überlebenswillen aus.
»Sicher«, erwiderte Zamorra. »Jeder kann etwas tun. Wir müssen jetzt Zusammenhalten. Jetzt erst recht.«
Er untersuchte die Decke. Doch da er außer seinen Händen kein anderes Hilfsmittel besaß, konnte er nur feststellen, was er auch sah. Der Fels wirkte echt. Granithart. Und es schien unglaublich, daß kurz vorher ein Mensch dahinter verschwunden sein sollte.
Und doch war es geschehen.
Claude Ferrier war weg.
Wenig später verließen sie den kurzen Schacht und betraten eine noch größere Höhle als die vorangegangene. Und Zamorra fragte sich unwillkürlich, wer von ihnen als nächster verschwinden würde.
***
Wumm !
Teri kam aus dem zeitlosen Sprung, taumelte einen Schritt unkontrolliert nach vorn und stieß mit dem Kopf gegen etwas unangenehm Hartes.
Sekundenlang verlor die Schwarznacht ihre Schrecken, und sie konnte plötzlich doch Sterne sehen. Ihre ganz privaten. Doch irgendwie wollte keine romantische Stimmung aufkommen. Statt dessen verfluchte Teri zum x-ten Mal den Herrn von Caermardhin: Merlin. Jetzt holte sie sich auch noch Beulen für den Unsterblichen. Wenn das so weiterging, würde sie am Ende nicht um eine kosmetische Operation herumkommen, um ihre ursprüngliche Schönheit wiederherzustellen. Schon Gryf zuliebe…
Sie schmunzelte versonnen. Doch dann wurde sie schlagartig wieder ernst.
Ihr sehniger Körper straffte sich. Sie trat ein paar Schritte zurück und blickte dann vor sich hoch. Ohne Schwierigkeit konnte sie den Ursprung des Lichtflecks erkennen, den sie aus der Ferne wahrgenommen hatte. Ihr Leuchtfeuer für den Sprung.
Sie stand vor einem etwa hundert Meter hohen Bergkegel, der sich nach oben hin verjüngte. In halber Höhe gab es so etwas Ähnliches wie »Fenster«… Öffnungen im Gestein, die kranzförmig darum herumliefen und aus denen fahles Licht in die Schwärze der absoluten Nacht sickerte!
Licht gleich Leben, überlegte Teri. Der Berg schien bewohnt. Vielleicht fand sie hier eine Spur von Zamorra und den anderen. Irgendwo mußten sie schließlich geblieben sein, wenn sie nicht immer noch in der Schwarznacht herumirrten - oder wenn ihnen nicht schon etwas zugestoßen war.
Sie besaß latente telepathische Fähigkeiten, und diese gedachte sie zu benutzen, ehe sie aufs Geratewohl ins Innere des Bergkegels sprang.
Fore-Checking!
Teri trat dicht an den Fels heran und berührte ihn mit den Spitzen ihrer gespreizten Finger. Durch diesen Kontakt erhoffte sie sich eine Konzentrationshilfe. Der Stein war kalt wie alles ringsum. Es schien sogar, als sei er mit einer dünnen Reifschicht überzogen, an der Teris Fingerkuppen leicht hafteten.
Die Silbermond-Druidin schloß die Augen, obwohl dadurch keine merkliche Veränderung erfolgte. Aber sie bildete sich ein, es würde ihr helfen. Anschließend tastete sie sich langsam mit ihren Druidensinnen durch das Gestein ins Innere des Berges vor… Auf der Suche nach fremden Gedanken und Emotionen, nach etwas Lebendigem!
Zu ihrer Überraschung wurde sie fast sofort fündig. Bereits dicht hinter der Felswand fanden ihre geöffneten Sinne ein Gedankenecho!
Teri zuckte unwillkürlich zurück, weil ihr das alles viel zu schnell ging. Da konnte etwas nicht stimmen. Doch dann arbeitete sie sich wieder langsam vor, Zentimeter für Zentimeter…
Kontakt !
Da waren sie wieder: die fremden Gedanken, verworren, aufgesplittert in Abertausende von Impulsen… Nichts Menschliches !
Eine eingeborene Intelligenzform?
Einen Moment lang glaubte Teri an diese Möglichkeit. Dann drang sie noch etwas tiefer in die fremde Gedankenwelt vor… und erlebte den Schock ihres Lebens!
»Nein«, stammelte sie, ohne den Kontakt zu unterbrechen. »Merlin, du…« Verdammter Geheimniskrämer wollte sie hinzufügen.
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