0294 - Das Grauen wohnt in toten Augen
mächtigen Geiers gewählt. Kreischend und flügelschlagend stürzte sich der mächtige Vogel auf seinen Befehl aus großer Höhe herab.
Professor Zamorra spürte, daß sich das Amulett erwärmte. Ein Zeichen, daß die Macht der Schwarzen Familie nahe war.
Seine Hand zog die Reißleine. Er atmete auf, als er über sich das Rauschen hörte, mit dem sich der mächtige Fallschirm entfaltete.
Tief unter sich sah er die Bohrstellen. Von der südlichen Bohrstelle her rauschte eine gelbe Staubfahne in Richtung Wüste. Gewiß der Jeep, der ihn auflesen sollte. Professor Zamorra zog an den Leinen und versuchte, mit dem Fallschirm in diese Richtung zu schweben.
Der Angriff von oben herab kam plötzlich und unerwartet.
Er hörte nur das Reißen des Stoffes und sah, wie der häßliche, kahle Schädel eines großen Geiers durch das Loch im Fallschirm lugte.
»Hör auf, du verdammtes Biest!« schimpfte der Meister des Übersinnlichen. In dieser Streßsituation achtete er nicht auf das Amulett, das ihm die Nähe des Dämons signalisierte.
»Aber Monsieur le Professeur, wer wird denn so ungehalten sein!« kam es in französischer Sprache aus dem Schnabel des Geiers. »Sie sollten die letzten Sekunden ihres Lebens lieber zu einem Sterbegebet nutzen!« Wieder hieb der Schnabel zu. Erneut klaffte ein Riß in dem Stoff.
Zwar wurde Zamorras Fall noch immer gehalten, aber er sank doch schon viel schneller in die Tiefe. Noch einige Risse und der Fallschirm war total zerstört. Dann gab es keine Rettung mehr.
Dazu kam, daß sein Gegner kein Tier war. Der Dämon wußte ganz genau, was er tat. Professor Zamorra besaß zwar das komplette Wissen der Weißen Magie, doch er war nicht unsterblich, wenn ihm ein solcher Tod drohte. Und fliegen konnte er auch nicht.
»Sie warten auf dich, Zamorra!« kam es höhnisch aus dem Schnabel des Geiers. »Unten in der Hölle lauern die Brüder der Schwarzen Familie darauf, dich endlich hinabzerren zu können. Und ich, Yurij, bin’s, der den größten Feind unseres hohen Kaisers LUZIFER endlich zur Strecke bringt!«
»Triumphiere nicht zu früh, Dämon!« stieß Professor Zamorra hervor. Den Tod vor Augen setzte der Parapsychologe alles auf eine Karte.
Immerhin hatte er noch den Reservefallschirm. Doch den würde der Dämon in der Geiergestalt ebenfalls zerfetzen, wenn er sich nichts einfallen ließ. Ein kurzer Blick auf den Höhenmesser, der auch die Fallgeschwindigkeit angab, zeigte ihm, daß er bei gleichbleibendem Fall den Sturz zwar nicht überleben würde, aber er stürzte noch nicht haltlos ab.
Der Geierdämon hatte seine Schnabelhiebe eingestellt. Er krallte sich in einem flatternden Fetzen des halb zerrissenen Fallschirms fest und äugte interessiert zu Zamorra hinab, der sich an seiner Kombination zu schaffen machte.
Jeder andere Dämon der Schwarzen Familie hätte gewußt, was der Meister des Übersinnlichen hervorzerrte, als er den Reißverschluß über seiner Brust öffnete. Doch Yurij war nur ein Dämon niedrigster Ordnung und kannte daher nur Professor Zamorras Name und Aussehen - nicht aber seine gefürchtete Waffe.
Yurij wurde auch nicht mißtrauisch, als es in der rechten Hand des Parapsychologen aufblitzte. Es war ihm gelungen, die Kette, an der das Amulett Merlins hing, sich über den Kopf zu ziehen.
Ein weiterer Blick auf den Höhenmesser zeigte an, daß er nicht mehr zögern durfte, den Reservefallschirm zu ziehen. Die Vernichtung des Dämons und das Öffnen des zweiten Fallschirms mußten gleichzeitig erfolgen, sonst war es zu spät.
Bis sich der Fallschirm öffnete, war der Aufprall bereits erfolgt.
»Asmodis wird mich fürstlich belohnen und Lucifuge Rofocale mich in den Rang eines Marquis der Falschen Hierarchie erhöhen…!« schwelgte Yurij in Gedanken des Triumphes.
Von seinem Refugium in der Hölle aus betrachtete Asmodis im Spiegel Vassagos interessiert, wie sich der Gefolgsmann des Großdämons Agares anstellte. Wieder mal einer von denen, die das Fell des Tigers verteilen, bevor er zur Strecke gebracht wurde. Alles in Asmodis zitterte, den Dämon zu warnen und ihn so vor Zamorras Amulett zu beschützen. Wenn der Meister des Übersinnlichen auf den Boden aufprallte, war der große Kampf zwischen ihnen entschieden. So oder so.
Doch Asmodis wußte nur zu genau, daß dies gegen die Regeln war. Gesetze zwischen den Mächten des Lichts und den Kräften des Chaos, die zwar nie aufgezeichnet wurden, die aber dennoch bestanden und strikt bèfolgt werden
Weitere Kostenlose Bücher