0296 - Manege der Geister
Merlins Stern gesteuert werden konnten, ließen sich nicht bewegen. Das ließ in Zamorra den Verdacht keimen, daß das Amulett nicht nur kraftlos war, sondern blockiert wurde!
Aber von wem? War der Gegner so stark, daß er Merlins Stern lahmzulegen vermochte?
Ein höhnisches Lachen erklang. Es kam von oben, aus der Zirkuskuppel. Der Geist eilte wie ein Schemen an den Seilen und Trapezen hin und her und tat irgend etwas.
»Verdammt, holt ihn da runter«, keuchte Tendyke. »Der löst die Seile… Das gibt eine Katastrophe, wenn die Artisten auftreten!«
Zamorra schluckte. Er überlegte, wie er den Geist von da oben fortbekommen konnte. Sollte er das Amulett mit Merlins Zauberspruch zwingen, aktiv zu werden? Er wußte, daß es sich dieser magischen Gewalt nicht entziehen konnte. Aber was dann? Wenn er sein Pulver auf diese Weise verschoß, wie sollte er anschließend dieses Geistwesen besiegen?
Es gab nur eine Möglichkeit. Er mußte sich darauf verlassen, es wirklich mit Astrano zu tun zu haben, und ihn beschwören. Wenn es natürlich nicht Astrano war, hatte er das Spiel verloren. Der Geist konnte die magische Kraft der Beschwörung dann gegen ihn, Zamorra, lenken.
Auf den Zuschauerbänken wurde die Unruhe größer. Die Schreie von draußen irritierten die Besucher. Sie fürchteten, die Leoparden könnten ins Zirkuszelt eindringen und dort ihre Opfer suchen. Die Kameraleute der Fernsehstation wußten nicht, was sie aufnehmen sollten. Lohnte es sich, die entstehende Panik aufzunehmen und zu speichern? Oder würde gleich wieder alles vorbei sein?
Zamorra zwang sich, sich nicht von der Unruhe anstecken zu lassen. Er warf Nicole einen kurzen Blick zu. Sie verstanden sich auch ohne Worte: Sie blieb in seiner unmittelbaren Nähe, um ihn vor Neugierigen oder Flüchtenden abzuschirmen.
Robert Tendyke bewegte sich unterdessen nach draußen. Er wollte nach Leoparden-Jenny sehen. Er konnte sich nicht vorstellen, daß die Tiere ohne ihre Erlaubnis freigekommen waren. Aber auch nicht mit… Also mußte ihr etwas zugestoßen sein…
Zamorra sah einmal kurz nach oben. Sah niemand außer Nicole, Tendyke und ihm den Geist, der sich höhnisch lachend von Seil zu Seil schwang und sein unheilvolles Werk fortsetzte? Zamorra wußte, daß er ihn nicht nur möglichst schnell da herunterzwingen mußte, sondern er mußte auch dafür sorgen, daß kein Artist sich da hinaufwagte, ehe die Schäden nicht behoben waren, die Verbindungen wieder befestigt.
War es vielleicht das, was der Geist wollte? Daß die Artisten in den Tod stürzten? Das deutete nun doch wieder auf Astrano hin, denn der hatte doch schon einmal dafür gesorgt, daß eine Künstlerin in die Tiefe stürzte - Sorrya Pascal! Das Foto, das bei Tom Belloni gefunden worden war, zeigte ihren Sturz in die Tiefe!
Zamorra kauerte auf den Brettern des Laufganges zwischen den Sitzreihen. Er malte mit der Fingerspitze unsichtbare Linien auf das Holz. Erschwert wurde es ihm, weil er eben keine magische Kreide und auch sonst nichts zum Beschriften hatte. Er mußte sich genau merken, wo und in welcher Folge und Größe er die Zeichen unsichtbar angebracht hatte. Es war eine ungeheure Konzentrationsübung. Ein Strich, nur um Millimeter zu lang oder zu kurz, konnte den gesamten Zauber unwirksam machen oder gegen seinen Erzeuger richten.
Der Meister des Übersinnlichen bewegte die Lippen. Kaum hörbar sprach er magische Formeln, die eine Verbindung mit den unsichtbaren, aber vorhandenen Zeichen eingingen und sie aktivierten.
Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Die geistige Anstrengung war ungeheuer und zehrte auch an seinen Körperkräften. Zamorra atmete hastiger. Die Magie forderte ihm Kraft ab, um wirken zu können.
Von oben kam wieder das höhnische Lachen des Geistes. Es war nur im geistigen Bereich zu vernehmen, wurde nicht für die Ohren laut. So konnten nur jene es vernehmen, für die es bestimmt war. Fühlte der Geist sich so sicher vor seinem Gegner?
Und warum griff er Zamorra nicht direkt an, so, wie er ihn früher schon hatte angreifen lassen?
Da sprach Zamorra die letzte Formel und fügte den Namen seines Gegners hinzu, in der Hoffnung, daß er sich nicht verspekuliert hatte: Astrano!
Und aus der Höhe kamen Heulen und Kreischen!
In der Höhe brüllte und tobte Astrano, als Zamorras Zauber nach ihm griff! Astrano konnte sich auf dem Hochseil nicht mehr halten, stürzte in die Tiefe! Nur konnte ihm als Geist das nichts ausmachen, weil er nicht körperlich
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