0296 - Manege der Geister
inmitten des riesigen Pools, in dem Schwimm-Meisterschaften hätten ausgetragen werden können, trugen drei Alligatoren in aller Selbstverständlichkeit ihre Schwimmeisterschaft aus…
***
Cal Byrkin gehörte zu Jenny O’Tyrells Team. Er fuhr ihren Truck, er hielt die Technik in Schuß, und er besorgte das Futter für die Leoparden. Das Füttern übernahm Jenny lieber selbst. Zwischen den Tieren und ihr bestand eine innige Verbindung, in die sie aus gutem Grund auch niemanden sonst hineingleiten ließ. Sobald sie das Vertrauen ihrer Leoparden mit einem anderen Menschen teilte, verlor sie zugleich die Hälfte, war ihre Devise.
Ihre Raubtiernummer war eine der besten geworden, und wenn die Atmosphäre im Zuschauerraum es zuließ, verzichtete sie sogar auf die Schutzgitter um die Manege. Noch nie war dabei etwas passiert. Ihre Leoparden gehorchten ihr selbst in kritischen Situationen, wo andere Dompteure entweder zur Peitsche oder gar zur Schußwaffe gegriffen hätten.
Sie hatte eine glückliche Hand für ihre Raubkatzen.
Cal Byrkin kletterte gerade aus dem großen Container-Auflieger, in dem die Raubtiere klimatisiert untergebracht waren. Das, überlegte er grinsend, hatte »The Great Rodney William’s Show« allen anderen Zirkusunternehmen in den USA voraus: Sie brauchten weder die Bahn noch Spezialfahrzeuge. Alles ließ sich mit den großen Trucks fahren, alles war auf die Normcontainer abgestimmt. Unter Jenny O’Tyrells Leitung fuhren zwei Trucks. In einem Container Tiere und Verpflegung, in dem anderen die kleinen Wohnräume für das Team. Das technische Gerät verteilte sich auf den Rest der beiden Großcontainer.
Byrkin glaubte plötzlich, am hellen Tag Gespenster zu sehen.
Er sah Tom Belloni zwischen zwei Aufliegern verschwinden! Aber Belloni war doch tot! Ermordet in einem Taxi drinnen in der Stadt… Die Polizei war doch mehrmals hier gewesen und hatte jede Menge Fragen gestellt. Und jetzt lief dieser Belloni hier wieder putzmunter herum?
Cal Byrkin kratzte sich am Hinterkopf. Fast war er geneigt, an eine Täuschung zu glauben. Aber Belloni war doch unverwechselbar. Wie also war das möglich?
Verdammt, wenn die Polizei nicht im Besitz von Bellonis Brieftasche und Ausweis gewesen wäre, hätte Byrkin in diesem Moment geglaubt, die Jungs von der Mordkommission wären einem riesigen Irrtum aufgesessen. Aber so…
Byrkin gab sich einen Ruck. Er eilte hinter Belloni her. Am Ende der geparkten Container-Auflieger sah er ihn wieder und rief ihn an. »Tom… Tom, warte doch mal!«
Der Angerufene blieb stehen und drehte sich langsam um, während Byrkin heranhastete. Klar, das war Belloni! Es gab keinen Zweifel!
Dicht vor ihm blieb Byrkin stehen. »Tom… Wie kommst du denn hierher? Bist du denn nicht tot, verdammt? Wer spinnt denn jetzt, die Cops oder ich?«
Die furchtbaren Biß- und Reißwunden, die die Polizeifotos gezeigt hatten und die auf ein Raubtier hinwiesen, suchte er an Belloni vergebens. Aber dann wollte er den schweigsamen Mann, der auf seine Frage nicht antwortete, sondern ihn nur ansah, an der Schulter fassen.
Er griff hindurch!
Und im gleichen Moment traf es ihn wie ein Hammerschlag. Cal Byrkin brach wie vom Blitz gefällt zusammen.
Als er nach einer halben Stunde wieder aufwachte, war von Tom Bellonis Geistererscheinung nichts mehr zu sehen…
***
»Hochinteressant«, stellte Nicole fest. »Alligatoren im Swimmingpool… Unser Freund scheint einen äußerst skurrilen Humor zu haben.«
»Schau mal, die lieben Haustierchen müssen ja auch mal ein wenig baden«, sagte Zamorra. »Das darf man alles nicht so verbissen sehen.«
Nicole betrachtete die Prachtgebisse der braungrünen Panzerechsen und schmiegte sich wie schutzsuchend an Zamorra. »Nur gut, daß ich nicht vorhatte, ein paar Runden im Wasser zu drehen. Ich würde mich jetzt grämen«, sagte sie.
Die drei Alligatoren änderten ihre Schwimmrichtung und glitten jetzt auf Zamorra und Nicole am Beckenrand zu. Unwillkürlich wich Zamorra ein paar Schritte zurück. »Die werden uns doch wohl nicht zum Fressen gern haben?«
Aber so sah es aus. Das erste der geschuppten Reptile erreichte den Beckenrand und schob sich hinauf, ziemlich mühelos, weil der Wasserspiegel recht hoch lag. »Zurück«, murmelte Zamorra. »Ab ins Haus. Es ist keine Fütterungszeit!« Er zog Nicole hinter sich her.
Jetzt waren auch die beiden anderen Alligatoren an Land. Die drei Echsen setzten sich auf ihren kurzen Beinen erstaunlich schnell in Bewegung.
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