0297 - Der Verräter
Haus. Edda sah auch den Weg, der zum Gebäude führte.
Er hob sich ein wenig von der Finsternis ab. Als graues Band schlängelte er sich dem Gebäude entgegen, um in der Dunkelheit zu verschwinden.
Einen Blick zum Himmel warf sie ebenfalls.
Rot war der Mond, aber er schien nicht mehr so kräftig. Seine Farbe war ein wenig verblaßt. Ein mattes Rosa füllte den Kreis aus.
Daran konnten auch Wolken die Schuld tragen, die sich vor den veränderten Himmelskörper geschoben hatten.
Dennoch, Edda wollte nicht so recht daran glauben. Noch war die Zeit der Schwarzblut-Vampire nicht vorbei.
Und sie bekam dies sehr bald bestätigt. Aus dem schwarzen Schatten nahe des Hauses lösten sich Gestalten.
Sie gingen nicht langsam, sondern bewegten sich sehr schnell.
John Sinclair konnte es nicht sein, er war heller angezogen. Wer da kam, das waren Feinde.
Vampire!
Sie kehrten zurück.
Edda Kiss wußte nicht, was sie unternehmen sollte. Sie schaute sich ein paarmal um. Ihr Blick glitt über die düsteren Gräber mit den wuchtigen, schiefen Steinen. Er streifte auch das zähe Gras, das feuchte Laub auf dem Boden und wieder die Öffnung der Gruft.
Dort wollte sie auf keinen Fall wieder hinein.
Was blieb ihr? Die Flucht.
Edda wußte gleichzeitig, daß sie in so kurzer Zeit keinen Platz finden würde, wo sie sich verstecken konnte. Die Vampire waren einfach zu gut informiert. Sie würden die Frau überall finden, falls sie es wollten. Zudem dachte sie an ihren Retter. Wenn sie den Platz hier jetzt verließ, würde sie John im Stich lassen.
Nein, das konnte sie nicht.
Edda gelang es trotz ihrer Flucht, noch klar und nüchtern zu denken. Die Vampire waren ihr nicht unbekannt. Sie hätten sie schon längst zu einem Blutsauger umfunktionieren können. Das hatten sie nicht getan, und dafür gab es auch einen Grund.
Sie wollten ihr Blut nicht!
In den alten Geschichten hieß es immer, daß sie eine besondere Art von Vampiren wären. Blutsauger, die sich nichts aus Menschen machten. Darauf baute Edda ihre Hoffnungen.
So blieb sie stehen.
Plötzlich waren die Gestalten verschwunden. Edda wunderte sich.
Hatten sich die Blutsauger es anders überlegt und waren einen fremden Weg gegangen?
Nein, schon entdeckte sie die Gestalten wieder. Die Büsche hatten ihr zuvor die Sicht genommen.
Edda bemerkte es an den Bewegungen der Zweige, daß die Blutsauger immer näher kamen. Sie hörte auch das Raschem des Laubs, welke Blätter wurden hochgewirbelt, und dann sah sie den ersten dicht vor sich.
Edda erschrak! Den hatte sie noch nie gesehen.
Hinter einem Grabstein schob er sich in die Höhe. Eine schreckliche Gestalt, die immer größer wurde, je mehr sie ihren Körper streckte. Das Mädchen schaute in ein Gesicht, wie es ihr noch nie zuvor in ihrem Leben begegnet war.
Es schien nur aus Blut zu bestehen…
Dick und aufgequollen, als hätte man es mit Sirup übergossen, der mittlerweile eingetrocknet war. Eine schaurige Fratze, eben ein widerlicher Vampir.
Er öffnete sein Maul.
Es war ein sehr breiter Mund, den er aufklappte, etwas schimmerte weiß und spitz.
Es waren die Blutzähne!
Gewaltige Hauer, tödlich für die Opfer. Auch Edda bekam Angst.
Sie wollte nicht mehr so recht glauben, daß die Vampire nur Opfer unter ihresgleichen suchten. Dieses Wesen da machte einfach einen zu grauenvollen Eindruck auf sie.
Das Mädchen ging zurück. Ihre Züge waren erstarrt. Die Augen weit aufgerissen, die Schritte klein, und das Laub raschelte unter ihren Füßen, wenn sie hineintrat.
Der Vampir ging vor. Es war Mandraka, der sich Edda Kiss gezeigt hatte. In seiner schwarzen Kleidung verschmolz er fast völlig mit der Dunkelheit, nur sein Gesicht leuchtete, und Edda fiel der Vergleich zu dem am Himmel stehenden roten Mond ein.
Sie schüttelte sich vor Grauen, und ihr Schrecken wurde noch schlimmer, als sie auf ihrer Schulter die Berührungen spürte.
Es waren Hände!
Kraftvoll drückten sie zu.
Edda besaß nicht die Stärke, sich gegen diesen Druck zu stemmen, und so ging sie in die Knie.
Ihr Gesicht verzerrte sich noch weiter. Die Angst wurde zur Panik.
Stimmten die Geschichten nicht, die erzählten, daß die Vampire nur das Blut ihrer Artgenossen tranken?
Dicht an ihrem linken Ohr hörte sie das Geräusch. Es war ein Fauchen, ein Schmatzen und Schlecken. Zudem nahm sie einen widerlich süßlichen Geruch wahr, der sie ebenfalls fertigmachte.
»Laß es!«
Mandraka hatte gesprochen, und er redete in einer Sprache, die sogar von
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