0297 - Der Verräter
vergangenen Jahren ist viel geschehen, viel passiert. Aber nur Niederlagen, wir haben keine Siege errungen, und das ist es, was mich so stört. Ich habe sehr lange nachgedacht und bin zu dem Entschluß gekommen, daß die andere Seite die stärkere ist.«
»So sieht es manchmal aus«, gab ich zu.
»Dann wundert es mich, daß du nicht ähnlich reagiert hast wie ich. Du mußt doch einsehen, daß dein Kampf nichts nützt. Der Teufel, die Großen Alten und zahlreiche anderen Dämonenarten und Abarten, das ist einfach zu viel. Ich habe dir geholfen, den Schwarzen Tod zu vernichten. Das ist vorbei. Ich rechnete auch damit, daß mit seinem Ausscheiden die Kraft der finsteren Mächte gebrochen war. Ich habe mich selten so geirrt und ziehe daraus nun die Konsequenzen. Ich wechsele die Seite, John Sinclair, auch du kannst mich davon nicht abhalten.«
»Und weshalb willst du mich umbringen?«
»Hätte ich bei meinen ehemaligen Freunden einen besseren Einstieg, als mit einem toten John Sinclair als Trumpf?«
»Das stimmt.«
»Ein toter Geisterjäger ist das, was sich zahlreiche Dämonen wünschen. Ich werde mit offenen Armen empfangen, wenn ich dich als Leiche mitbringe.«
Da hatte er zweifelsohne recht. Ich wußte auch nicht, was ich ihm entgegenhalten sollte. Myxin hatte sich einmal entschlossen, den anderen Weg einzuschlagen, und davon konnte ihn wohl niemand mehr abbringen. Wenn Kara es nicht geschafft hatte, würde ich es auch nicht packen.
Unwillkürlich dachte ich zurück und erinnerte mich daran, was ich alles mit Myxin erlebt hatte. Er hatte sich auf mich verlassen können, ich mich auf ihn. Wir waren zu einem Team geworden, der kleine Magier und ich. Jetzt die Enttäuschung.
Sogar das Kreuz konnte er inzwischen anfassen, ohne daß etwas geschah. Er hatte seinen dämonischen Freunden abgeschworen, jetzt wollte er wieder zu ihnen.
Welch ein Wechsel!
Und ich hatte nichts davon bemerkt. Eigentlich hätte es mir auffallen müssen, doch ich war so mit anderen Problemen beschäftigt gewesen, daß der Kontakt mit Myxin für eine Weile abgebrochen war.
Aber ich wußte Kara an seiner Seite, und sie hätte uns doch warnen können. Oder war es ihr ebenso ergangen wie mir?
Mit so etwas mußte ich einfach rechnen, sagte jedoch nichts, sondern blieb steif sitzen.
»Hast du noch eine Frage, John?« Myxin sprach leidenschaftslos.
Er kam mir in diesen Augenblicken wie ein Henker vor, der seinen Job kalt erledigt. Ohne Gefühl, ohne Leidenschaft, und ich schauderte vor dieser Kälte.
»Ich habe viele Fragen«, erwiderte ich. Meine Stimme klang ein wenig rauh und kratzig. Ich konnte einfach nicht so kalt bleiben wie der kleine Magier hinter mir. Das hing wohl mit meinem Naturell zusammen. »Ich hätte gern gewußt, wieso du ausgerechnet jetzt die Seiten gewechselt hast und nicht schon früher.«
»Der Zeitpunkt erschien mir günstig.«
»Glaubst du an die Stärke des Teufels?«
»Nein.«
»Da hättest du dich auch geirrt. Asmodis hat genug Schwierigkeiten. Unter anderem auch mit den Schwarzblut-Vampiren.«
»Das ist mir bekannt. Wenn ich die Seite wechsele, heißt das nicht, daß ich ein Freund der Hölle werde. Das Gegenteil tritt ein. Ich bekämpfe die Hölle, wo immer ich kann. Ich werde den Teufel auch weiterhin jagen. Fast hätte ich Asmodis sogar mit dieser Klinge aufgespießt, und es wäre fantastisch gewesen, ihn und dich mit einem Schlag praktisch zu töten. Das kann ich dir mit auf den Weg geben, John. Mit dem Satan werde ich keinesfalls paktieren.«
»Wen hast du dir dann ausgesucht?« Allmählich merkte ich, wie sich der Schweiß auf meinem Körper ausbreitete. Es war der Angstschweiß, wie ich sehr wohl wußte.
»Mandraka!«
Ich lachte leise. »Dieser Vampir?«
»Ja, ich kenne ihn.«
»Woher?«
»Vor mehr als 10.000 Jahren war er mir schon bekannt. Er stammt aus Atlantis.«
Nun wußte ich Bescheid. Deshalb hatte Mandraka mein Kreuz, das christliche Symbol, nicht gefürchtet. Aus Atlantis kamen diese Dämonen. Ich hätte es mir eigentlich denken können. Der längst versunkene Kontinent rückte scheibchenweise immer mehr in den Vordergrund. Seine Überraschungen waren kaum zu fassen. Er entließ immer wieder neue Gefahren, die sich auf der Welt ausbreiteten.
»Was willst du gerade bei ihnen?« fragte ich den kleinen Magier hinter mir.
»Sie werden mich gern aufnehmen. Früher waren wir Feinde. Da wollten sie mein Blut, doch ich hatte meine schwarzen Vampire. Sie schlugen die anderen zurück. So
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